laut.de-Kritik
Noch nie war er so nah an System Of A Down dran.
Review von Josef GasteigerTitel können auch in die Irre führen. Karriere-Selbstmord ist es ganz sicher nicht, was der System Of A Down-Sänger Serj Tankian auf seinem dritten Solo-Album betreibt. Nach den eher experimentellen Sounds auf "Imperfect Harmonies" greift er auf "Harakiri" wieder zu einem griffigeren Rocksound, zu Double-Bass und verzerrten Gitarren. Das klingt vertraut und nur allzu logisch, war doch nach "Imperfect Harmonies" die Angst groß, dass er immer mehr elektronische und klassische Elemente in seine Soloalben einbaut und Distanz zu der Musik sucht, die ihn einst so groß machte.
Ganz gelöst hat er sich auch im Jahr 2012 nicht von dieser Seite, jedoch vermeidet er auf "Harakiri", alles in einen Topf zu werfen und widmet sich wieder ganz der gepflegten Rockmusik. Die Romanzen mit Elektro und Klassik lebt er auf separaten Alben aus, die in der nächsten Zeit erscheinen sollen. "Harikiri" steht für seine Rock-Wurzeln. Ein Schritt in Richtung "Elect The Dead", ein Schritt in Richtung SOAD. Ob da die Reunion wohl mitgeholfen hat?
Das Eröffnungsdoppel "Cornucopia" und "Figure It Out" könnte auf jeden Fall dem letzten SOAD-Album entsprungen sein, so überzeugend präsentiert er sich mit frenetischen Gitarren, treibendem Schlagzeug und großen Refrains wieder im klassischen Rock-Gewand. Auch dynamische, abrupte Wechsel zwischen Bassdrumsalven und schleichenden Kopfnicker-Grooves, zwischen Sprechgesang und Serjs typisch langgezogenem Gesangsvortrag wischen ordentlich mit allen Synthies und elektronischen Eskapaden des letzten Albums auf. Zum Teufel mit den Schmähstimmen, wird er sich gedacht haben. Die ersten Momente auf Album Nr. Drei machen deutlich, dass Tankian diese Seite der Musik immer noch interessiert.
Ein weiteres Trademark, der Einfluss armenischer Klangwelten, kommt in "Ching Chime" zum Zug, das mit östlicher Percussion den Groove verzahnt und sich unter anderem mit der Zeile "Super Bowl halftime, any time is war time" ins Gedächtnis frisst. Lyrisch ist man bei Serj Tankian als Anhänger kritischer Texte gewohnt gut aufgehoben, auch wenn die klaren Worte wie "CEOs are the disease" oft einer sanfteren, poetischeren Ausdrucksweise Platz machen.
Resultieren daraus gewichtige Rocksongs wie "Butterfly" und das an "Sky Is Over"-Zeiten erinnernde "Harakiri", erhebt man gerne die Faust und schüttelt das Haupthaar anlässlich des tadellosen Songwritings mit Hang zum Hymnischen. Fast einen Tick zu viel praktiziert Serj die große Predigt in "Forget Me Knot", mit einem hoffnungslos überladenen Refrain und dem schleppenden Flehen "make Jerusalem home for all creeds". Die Grenze zwischen großem Rocksong und großer, einfallsloser Kitschkiste ist bekanntlich verdammt schmal. Dies wird, wie auch die Geschmäcker zu seiner Stimmlage, manchmal zu Gunsten von Tankian ausgelegt, manchmal auch nicht.
Zur Albumhälfte macht sich jedoch nach starkem Beginn eine leichte Eintönigkeit in den Songs breit, die beim ersten Hören stets mitreißen, mit ihrem gemeinsam schiebenden Midtempo jedoch bald um Eigenständigkeit kämpfen müssen. Der Ideenreichtum erleidet einen kleinen Einbruch, da braucht es erneut eine starke orientalische Schlagseite, um "Deafening Silence" wieder als herausstechenden Song gelten zu lassen. Auch das punkig-schnelle "Uneducated Democracy" steht ihm gegen Ende wieder ausgezeichnet zu Gesicht.
Die leisen, mit dezenter Elektronik ausgeschmückten Momente, etwa in "Occupied Tears", erreichen nicht ganz die Intensität, die Serj mit voll aufgedrehtem Lautstärkeregler immer noch treffend auf den Punkt bringt. Besonders zu Beginn kommen die Ideen frisch daher, und man wünscht ihm in manchen Momenten seine drei Ur-Mitstreiter zur Seite. Noch nie war er so nah an System dran, was die letzte Inkonsequenz in manchen Songs doppelt bitter macht. "Harakiri" wird jene Fans dennoch zufrieden stellen, die mit den Experimenten des Vorgängers nichts anzufangen wussten. Der Weg ist nun frei für mehr.
8 Kommentare
Find ich persönlich gut, dass er sich wieder etwas von Imperfect Harmonies weg bewegt, das hat mir schlicht nicht so richtig zugesagt.Das die SoaD Keule kommt, hab ich mir auch irgendwie gedacht. Da muss man dann wirklich fragen wieso er nicht gleich mit den anderen Jungs zusammenarbeitet. Was mich eher anödet sind die teilweise recht pauschalen Texte, "CEOs are the desease" und Co. sind mir mittlerweile zu plakativ.
Langweilig. Finde seine Soloalben irgendwie unnötig.
Ist ganz okay, zumindest besser als "Imperfect Harmonies", aber ein neues SoaD-Album wäre dann doch interessanter.
"Kiss an ugly turtle and make it cry"
Was um alles in der Welt nimmt dieser Mann, und wo bekommt man es?
Bin mir nicht sicher, ob ich das auch nehmen wöllte... Aber nach mehrmaligem Hören muss ich das erste Urteil doch zurücknehmen: "Harakiri" ist mehr als okay; auf jeden Fall sein bestes Solo-Album bisher.
stimmt, auf jeden Fall sein bestes Solo-Album, was aber keine Auszeichnung ist bei dem unterschieden Solo-Output des Mannes. Harakiri macht mich total fertig und ich bekomme hektische Flecken! Bitte SOAD, holt den Mann da runter/raus, wo immer er sich auch befindet... ganz schlimm!