laut.de-Kritik
Ein Blick zurück in die Phase der Autoaggression.
Review von Alex KlugReicht die reine, misanthropische Lifestyle-Attitüde noch für die Kategorisierung als Black Metal? Im Falle Shinings wohl eher nicht. Muss aber auch nicht, haben die Schweden doch mit pechschwarzen Hasstiraden wie "IV - The Eerie Cold" und "V - Halmstad" gleich mehrere musikalische Großtaten in die Welt gesetzt. Nur ist das mittlerweile eben ein paar Sonnenumrundungen her.
Was danach geschah? Hochschrauben der Rock-Einflüsse, Fortschreiten der Besetzungswechsel, Einsetzen des Stillstands. Nachdem "VII: Född Förlorare" und "Redefining Darkness" genretypisches Geballer noch mal um gefällige Vocallines und ausufernde Gitarrensoli ergänzten, entpuppte sich spätestens "IX - Everyone, Everything, Everywhere, Ends" als gähnendste aller Selbstkopien.
Und so ist es nun tatsächlich an "X – Varg Utan Flock", erstmals einen Blick zurück in die wohl glorreichste Phase der autoaggressiven Vergangenheit zu werfen. Nach längst traditionellem Psalm-Geflüster bringt das "Svart Ostoppbar Eld" auch rasch zusammen, was bei Shining eigentlich seit Jahren zusammen gehört: Unvermittelt startet der Track mit überraschendem Black N' Roll-Getöse, das alsbald von wohlbekannten Akustikklängen unterbrochen wird.
Und täglich grüßt das Murmeltier. Mit diesem mittlerweile auf sieben Alben ausgebügeltem Muster kriegen Shining die erste halbe Stunde in vier Tracks erfolgreich ausgefüllt. Zur Halbzeit ist der Fall klar: Die wirklich große Revolution wird scheinbar wieder nur angedeutet.
Eigentlich kaum nachvollziehbar, deutete Banddiktator Niklas Kvarforth in den vergangenen Jahren doch immer wieder seinen über den Tellerrand hinaus röhrenden Stilhunger an. Und dennoch lugt der von Kvarforth so freudig zitierte Alternative Rock hier allenfalls in den elegischen Gitarrenslides aus "Gyllene Portarnas Bro" hervor.
Aber wo sind sie dann, wo sind die Einflüsse der in der Vergangenheit immer wieder aufpoppenden Tributeversionen, seien es Katatonia, Poets Of The Fall oder nun auch Placebo? Statt mutiger Integration der gern gecoverten luftigeren Melodiespielchen setzen Shining bis hierhin durch und durch auf Altbewährtes.
Doch woran liegt das? Zum einen wohl daran, dass sich die zuletzt etablierten Saiteninstrumentalisten Peter Huss und Euge Valovirta in erster Linie als gutes Sologitarristenduo verstanden. Die wirklich morbide Atmosphäre, für die Shining sich bis heute gerne selbst als "Originators Of Sucidial Black Metal" krönen, hat sich spätestens mit dem Weggang Fredric Gråbys verabschiedet – und einen lieblichen, nach Pathos und Prätention duftenden Windhauch hinterlassen.
Immerhin besinnt sich die Gruppe mit dem Weggang Valovirtas wieder etwas mehr aufs schwarzmetallische Riffing – durch das in den vergangenen zehn Jahren längst abgenutzte Wechselspiel mit den immer gleichen dissonanten Akustikgitarren-Arpeggios zaubern sich Shining damit aber auch kein frisches, gehässiges Grinsen mehr ins Gesicht. Da hilft auch der Gastbeitrag von King Diamond-Gitarrist Andy LaRocque nicht.
Umso überraschender, dass Kvarforth – nach einem neuerlichen Interludium des finnischen Jazzpianisten Olli Ahvenlahti – erstmals wieder ein großartiges Stück klanggewordener Depression entfesselt. Getreu des etablierten 6-Track-Albumkonzepts bewahrt sich "X -Varg Utan Flock" mit "Mot Aokighara" den Kern seiner Stärken bis zum Schluss auf. Die Totenwald-Hymne lockt mit verspielter Klimpermonotonie, einem tief grummelnden Whiskey-Kvarforth und abschließend feinfühliger Twin-Guitar-Raserei. Was ein starkes Teil – das lässt einen ja fast über die nahezu dreisten Abkupferungen ("Halmstad"-Kenner dürften schon im Opener aufschrecken) hinweg sehen.
Und so gedenkt man für neuneinhalb friedlich dahintreibende Minuten all jener glorreichen Zeiten, in denen sich Niklas Kvarforths Shining ihr wohlverdientes Quäntchen Anerkennung noch mit unfassbar mächtiger Musik erarbeiten konnten – und nicht etwa mit der hiesigen Verkündigung des angeblichen eigenen Todes.
3 Kommentare mit 5 Antworten
Dafür dass "IX - Everyone, Everything, Ends" die "gähnendste aller Selbstkopien" sein soll, wurde sie auf dieser Seite doch sehr gut bewertet, wobei der Text der Review sogar eine höhere Wertung vermuten lässt als die 4/5, die es am Ende wurden...
Anderer Redakteur, merkste selber, oder?
Musikwisser glänzt mal wieder mit grenzenloser Dummheit.
@Lifelover: Schon klar. Es kommt dennoch komisch, wenn man sich darüber auslässt, wie schlecht doch Album X ist und dabei aber eine Rezension verlinkt, die eben jenes Album in hohen Tönen lobt.
Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.
Ja, man hätte lieber auf eine vernichtende Rezension der Konkurrenz verlinken sollen, um seinen Standpunkt zu untermauern, wenn man sich schon auf seine eigenen Kollegen nicht mehr verlassen kann.
schöne tiefenanalyse, die mir manches fragezeichen erklärt. ich kann mit der suizidalen, recht destruktiven inszenierung eher wenig anfangen. auf der atmosphärisch dunklen seite dieses mondes finde ich allerdings auch die schwächeren "pegelhalten"-stücke effektiver als diverses aus der szene.
Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.