laut.de-Kritik
The Nordic Walking Dead.
Review von Yan VogelSkald musizieren so, wie es die Wikinger vor 1000 Jahren taten. Skol auf den, der solch einen historischen Fernblick aufbringt. Wer auf Neofolk der Marke Wardruna steht oder zu Folk Metal Schlachten nachstellt und seinen Feierabend mit der Serie "Vikings" verbringt, findet hier seine ultimative altnordisch vorgetragene Edda-Interpretation vor.
Für alle anderen verhält es sich mit dieser gut gemachten, aber schlecht gemeinten Mucke folgendermaßen: Skald tanzen nach der Pfeife einer Konsumkultur, die auf Festivals landauf landab ihre Berechtigung erlangt hat. Hier sind die Wikinger irgendwelche pseudogrünen Hipster, die ihren Met latte schlürfen und die Emma lesen. Wenn das Knut der Große oder Erik der Rote wüssten ...
Dabei ist an der Vision und deren Umsetzung von Oberhaupt Christophe Voisin-Boisvinet nichts auszusetzen. Handwerklich bewegt sich die Gruppe auf gehobenem Hollywood-Niveau und rührt die Schlegel und Trommeln, die Fideln und Sackpfeifen, dass einem Hans Zimmer warm ums kahle Oberhaupt würde.
Dies erreicht durchaus das Niveau von In Extremos Folklore-Ausflügen. Als Vergleich dient auch Van Canto mit entsprechender Instrumentaler Unterfütterung der A-Capella-Schicht. Die Qualität der mongolischen Rock-Gruppe The HU erreichen die Wikinger nicht, wobei das Hauptaugenmerk der französischen Combo auch eher auf Ambient als auf Struktur liegt.
Textlich pflügen Skald einmal quer durch die Mythologie und lassen es Valhallas und Odins regnen, als befinde sich die Band auf einem Poetry Slam mit Manowar. Die Stücke durchweht eine Melancholie der Marke 'das Weib ist fern, der Met so schal'.
Fällt die reguläre Platte noch in die Kategorie rauscht angenehm durch, erleiden die Franzosen auf der Bonus-CD gehörig Schiffbruch mit ihren Coverversionen von Songs von Pink Floyd, The White Stripes oder The Doors. "High Hopes" mit seinem schon in der Original-Version unerträglichen Glocken-Gebimmel, sackt bei diesem Klimgbim in den Mariannegraben.
In "Seven Nations Army" singt Sängerin Justine Galmiche zwar augenzwinkernd "I'm going to Upsala" statt "I'm Going To Wichita", was der totgenudelten Nummer auch nicht wieder auf die Beine hilft. Einzig das dudelige "Riders On The Storm" hat seinen Charme, da der psychedelische Eskapismus auch in der nordischen Form durchscheint.
Wie heißt es im Klappentext so schön: "Die Skalden stellten im frühen Mittelalter Geschichtenerzähler, Poeten, Minnesänger und Musiker für die skandinavische Gesellschaft dar, die mit ihren epischen Erzählungen Heldentaten ihrer Vorfahren und Götter mündlich an die nächste Generation überlieferten." Die Betonung liegt auf 'mündlich'. Wer nervte, geriet in Vergessenheit oder lief schnell ohne Kopf durch die Gegend, was auch eine Form von Nordic Walking darstellt. In der digitalen Welt ist die Exhumierung der Wikinger hingegen auf Dauer gestellt.
2 Kommentare
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
Die RTL II Variante von Wardruna. War absehbar, dass deren Erfolg nicht nur Hochkaräter, sondern auch derartige rohrkrepierende Hochglanz-Copycats hervortun würde.