laut.de-Kritik
Intensiver Rock n'Roll-Reload zum Zehn-Alben-Jubiläum.
Review von Alexander KrollZehn Alben. Nur wenige Bands kommen heutzutage so weit. Oder der Sound pendelt sich so effizient ein, dass frischer Wind ausbleibt. Metallica mixen auf "Hardwired...To Self-Destruct" servicegerecht ihre brachialen Kernkompetenzen, Foo Fighters zelebrieren auf "Medicine at Midnight" trotz Dance-Gimmicks ihr altbewährtes Rockhymnenrezept, und bei Coldplay wundert es nicht, dass sie ihr inzwischen emojisiertes Kreisen um Pop-Oberflächen mit dem kommenden zehnten Album abschließen wollen.
Selten klingt ein zehntes Album so frisch und stark wie Spoons "Lucifer on the Sofa". Geschrieben und aufgenommen in Austin, Texas, wo die Band vor 26 Jahren gegründet wurde, renoviert das neue Werk das coole, nuancierte Soundprofil im erdigen Rock'n'Roll. Im Gegensatz zum elektronisch gespickten Vorgängeralbum "Hot Thoughts" bringt die Gruppe um Britt Daniel hier die rohe Kraft ihrer Liveauftritte auf Platte. "Dieses Gefühl, miteinander in einem Raum zu sein, haben wir nach der langen Zeit des Lockdowns nicht als selbstverständlich angesehen", so Daniel, "Dieser Moment war ein einmaliges und magisches Gefühl".
In der kreativen Reibung jahrzehntelang verfeinerter Songwritingfinessen an einer Schroffheit, die an die Anfangstage der Band anknüpft, entwickeln Spoon – vom Telecastersound bis zur poetischen Vision – eine progressive Schärfe. "The Hardest Cut" lautet das Motto. Aufbauend auf einem schneidenden, von ZZ Top inspirierten Riff, imaginiert die erste Singleauskoppelung ein Leben auf der Klinge ("World wars in your mind (...) We live on a knife"). Mit Wucht diagnostiziert der Bluesrock-Kracher die Bedrohung durch politische und religiöse Mobs ("And they're knocking at your door / Let 'em knock some more / They're saying you need a little protection / But following the leader / Gonna turn you off the religion").
Spoons Rock'n'Roll schüttelt durch. Entlang kantiger, knarzender Bluesparameter etabliert "Held" eine abgedrehte, unter die Haut gehende Träumerei von Hingabe und Neustart ("For the first time in my life / I let myself be held like a big old baby (...) I lay back in the tall grass / I let the ants cover me"), die sich in einen hypnotischen Doors-Rausch hineindreht. Mit pochendem Beat, kitzelnden Licks, schwebendem Heartland-Piano und mitreißender Melodie veranstaltet "Wild" eine philosophische Wanderung durch die Wildnis, die ein oberflächliches modernes Leben entlarvt ("I looked full over all the lies and / Appealing to me advertising (...) And the world still so wild called to me"). Schon jetzt einer der besten Songs des Jahres.
Mit so viel durchdringendem Drive gelingen sogar Balladen. Wie cool Sehnsucht klingen kann, zeigt "My Babe", indem es eigentlich tief kitschige Love Song-Formeln ("Let our hearts beat in time / Let the love go on and on now") über einen unwiderstehlich geschichteten, langsam explodierenden Groove aus Classic-Rock-Keys und Modest Mouse-Rhythmik transportiert. "Satellite" liefert eine von verzerrten E-Gitarren getragene Liebeserklärung als maximale, berstende Rockgeste zwischen Obhut und Bedrängung ("I know, I love you more").
Im weiten Spektrum der Liebes- und Lebensentwürfe thront die spirituelle Qualität von Musik. Ähnlich wie Leonard Cohens "Hallelujah", das eine für Gott gespielte Akkordfolge schildert, beschert die kosmisch klare Andacht "Astral Jacket" eine sehr selbstbewusste, selbstreflexive Klang-Epiphanie: "God walks into the room softly / You feel it when you hear that sound".
1 Kommentar
Wird schwer, dieses Album 2022 von der Spitze zu verdrängen…