laut.de-Kritik
Oder mal ein Y?
Review von Franz MauererFußball-WM: Menschenrechte, Frauenrechte, Kapitänsbinden, FIFA, Korruption, Emire, manchmal auch noch Fußball. Ganz schön viel, aber fehlt da nicht was? WM und Musik, da war doch was? Richtig, die Sportfreunde Stiller! "Jeder Nur Ein X" heißt das etwas verwirrend benannte Album. Es geht trotzdem nicht um Wahlen, um die WM aber auch nicht.
Schon mit dem fürchterlich penetranten Pseudo-Ska-Opener "I'm Alright" fühlt man sich in frühere Zeiten zurückversetzt. Peter Bruggers oberbayerischer Sprechgesang ist, nun ja, einzigartig, aber auch nach 20 Jahren gewöhnungsbedürftig. Was der Opener auch verrät, und die folgenden Songs, das grausig unauthentisch optimistische "Hand In Hand" und das schmonzige "Wächter" samt unangenehmer Keyboard-Geiger, pflichten bei: Musikalisch hat sich bei den Sportfreunden sowas von gar nichts getan. Die können jahrelang untertauchen, Projekte mit The Notwist beginnen, Noise-Bands gründen, Bücher schreiben, zu dritt werden sie anscheinend auf ewig dieselbe Musik machen.
Bruggers Texte bleiben zwar die Achillesferse der Sportfreunde, zusammengebastelt aus Phrasen-Versatzstücken mit durchgehend ganz, ganz viel Gefühl, ohne jeden Ausschlag und ohne die Glaubwürdigkeit zumindest eines Bosse jemals zu erreichen, aber das Songwriting macht es auch nicht besser. Zwar kann man den Willen der sports pals durchaus erkennen, mit "Jeder Nur Ein X" vorzulegen, vom schmissigen Pop-Rock von "Juunge" über das Foals-Imitat "Ibrahimovic", der Alt-Nummer "Candlelight & Hardcore", dem erneut Ska-angehauchten "Früher War Schon" bis zum elektronisch-rockigen "Drama Mit Dem Karma".
Das ist aller Ehren wert, jeder Song für sich genommen ist aber einfach nicht gut. Radio-Hit-Potenzial traut man einigen der Tracks durchaus zu, genau dafür scheinen die Paarreime und ewig selben Strophen-Refrain-Abläufe auch gemacht. Eben deshalb ist auf "Jeder Nur Ein X" auch kein Song wirklich schlecht; für Ausfälle ähnelt sich alles viel zu sehr, aller Stilblüten zum Trotz ist das Fundament aus dem immer selben Brei.
Das Reißbrett der Handwerker Sportfreunde Stiller ist eingespielt, Profis sind die drei sowieso. Und hier liegt der Grund, warum dieses Album schlechter ist als "Burli", "You Have To Win Zweikampf" oder "Die Gute Seite": Brugger nahm man den Münchener Bazi damals noch ab, das Fußballdingens war zwar peinlich, aber auch glaubwürdig. Heute sind es drei arrivierte Berufsmusiker, die sich verkrampft die Leichtigkeit von früher zu bewahren versuchen und dabei absehbar und völlig unspektakulär scheitern.
"Jeder Nur Ein X" ist so "alright" wie der Opener. Man gönnt den Sportfreunden ihren anhaltenden kommerziellen Erfolg, noch mehr würde man ihnen aber vergönnen, mal als Band ein spannendes Album zu machen.
6 Kommentare mit 2 Antworten
"Die Gute Seite" war seinerzeit ein halbwegs ordentliches Album, dass genau einen Festivalsommer lang seine Berechtigung hatte.
Der beständige Versuch, diese Leichtigkeit und den Zeitgeist von 2002 mit jedem neuen Album neu zu beschwören ist gleichzeitig peinlich in seiner ewigen Adoleszenz, nervig in seiner Penetranz und irgenwo auch respektabel in seiner Beharrlichkeit.
Brauchen tut das im Jahr 2022 aber wahrlich niemand mehr.
"Man gönnt den Sportfreunden ihren anhaltenden kommerziellen Erfolg"
Tut man das?
Die Sportfreunde Stiller sind einfach die netten Jungs, die nur spielen wollen - ohne Foals. ????
Um es weiterhin freundlich auszudrücken, könnte man sagen, dass sie musikalisch routinierter sind als noch in ihren Anfangstagen. Textlich leider immer noch wenig originell und gesanglich - nun ja.
Vielleicht sollten sie sich auf Dauer mal überlegen, es Fettes Brot gleichzutun und mit dem Musik-Profi-Dasein Schluss zu machen. Evtl. doch noch eine Zweitkarriere als Sportlehrer versuchen...
Macht nix, Foals wiederum sind erstens schon immer musikalisch routinierter gewesen als es die Sportfreunde Stiller auch nach weiteren acht Alben nicht mehr werden und zweitens würden Foals ihrerseits wohl auch nicht mit den Sportfreunden Stiller spielen wollen, selbst bzw. wahrscheinlicher insbesondere, wenn sie wüssten, wer die überhaupt sind.
Den Foals-Bezug oben in der Rezi habe ich ehrlich gesagt auch nicht verstanden. „Ibrahimovic“ ist das peinlichste Lied auf der Platte überhaupt!
Spätestens seit „Applaus, Applaus“ sind die absolut unerträglich, da können sie noch so nett sein. Das WM-Lied war damals betrunken sicher wundervoll und „Ich, Roque“ hatte (wenn ich mich recht erinnere) ein gutes Riff. Gemessen an dem sehr, seeeeeeeeeeeehr limitierten musikalischen Talent sind acht Alben doch auch bestimmt (mehr als) ausreichend, um endlich die Musikerkarriere an den Nagel zu hängen.
Finde auch, sie könnten den Jesus Christus machen und die Karriere an den Nagel gehängt haben.
"Langsam mach ich mehr Ca$h als Sportfreunde Stiller, /
auf ein Mal werden alle deine Sportsfreunde stiller!"