laut.de-Kritik
Stereos Total - und drei neue Songs.
Review von Eberhard DoblerHält man die labelindizierte Werkschau zum demnächst 30-Jährigen in Händen, könnte man es fast bereuen, bereits Scheiben der Briten im Schrank zu haben. Denn die kompakte rote Box bietet Mehrwert - dafür sorgten die Stereo MC's höchstpersönlich: Zu den bis dato sieben Studioalben (zwischen 1989 und 2011) gesellen sich zwei weitere CDs sowie eine DVD.
Deren Inhalt: drei brandneue Songs, ein Livekonzert aus der "Connected"-Phase, 15 Musikvideos, Behind the scences-Material, Remixe sowie rare und unveröffentlichte Nummern. Ein Hardcover-Booklet inklusive ausführlichem Gespräch mit den beiden Hauptprotagonisten der UK-Hip Hop/Dance-Institution, die sich seit Kindertagen kennen, rundet das Paket ab.
"Collected" wirft einen umfassenden Blick auf Robert Birchs und Nicholas Hallams Karriere. Zum Longtime-Line-Up gehört seit der ersten Platte Drummer Owen If, Front-Sängerin Cath Coffey stieß beim zweiten Album dazu. Nahezu ausgespart bleibt allerdings das Kapitel 'Remixe, die die Stereos für andere dealten', sozusagen das letzte Puzzleteil fürs komplette Bild. Beispielsweise hielt "Remixed By Stereo MC's" 2002 einige Groove-Bomben parat - die Platte hätte ein Wiederaufleben verdient gehabt.
Auch für die !K7-Kollegen Terranova fuhren Rob und Nick weiland die Sequenzer hoch. Ganz zu schweigen von U2 ("Mysterious Ways") oder Madonna ("Frozen"). Doch darüber kommt angesichts des Umfangs der Box locker hinweg. Zumal das Remixkapitel oder auch die Labeltätigkeit in der DVD-Documentary sowie im Booklet angesprochen werden.
Los gings 1989 mit dem Beats/Sprechgesang/Samples-Debüt "33-45-78". "Supernatural" schaffte 1990 als erste britische Hip-Hop-Produktion den Sprung in die US-Charts. Dreh- und Angelpunkt der Karriere bleibt aber "Connected" (1992). Fluch und Segen zugleich: Einerseits der endgültige Durchbruch, andererseits fielen die Stereo MC's nach dem Rummel in eine Schaffenskrise. Endgültig platzte der Knoten erst neun Jahre später: Mit "Deep Down And Dirty" (2001) - der Titel der Scheibe sagt viel darüber aus, wie die Platte klingt - folgte eines der stärksten Alben.
In den Nuller-Jahren blieben die Stereos dann glücklicherweise am Ball: "Paradise" (2005)rückte den Heavy Soul wieder etwas mehr in den Fokus, bevor sich das nächste Album-Highlight "Double Bubble" (2008) auf die Tanzfläche pumpte. Auf der aktuellsten, wohl poppigsten Scheibe "Emperor's Nightingtale" (2011) widmet sich Rob auffällig mehr den Melodien als dem Sprechgesang.
Die drei brandneuen Tracks auf CD neun (Spielzeit: rund 70 Minuten) liefern im Prinzip State of the art. "Good Feeling" klingt wie ein ambienter Clubmix, fast so als stünden Rob und Nick an ihren DJ-Decks. Das gemächliche "Autumn Leaves" und das elektronischere "Let's Dance Tonight" fußen dagegen im ureigenen funky-souligen Dance/Downbeat-Ansatz. Alle drei Nummern schrieb Raf Rundell von The 2 Bears mit.
Die CD "New Material, Rarities & Unheard Treasures" umfasst viele weitere Tracks, Songskizzen, alternative Versionen oder Instrumentals von 1994 bis 2007. Etwa das livelastige "Sweet Talk" (2007) mit der schönen Textzeile "Turn the light down low / I'am the Anti-Hero". Oder das melodiös und elektronisch mäandernde Demo "The One You Know" (2004). Man fragt sich, wieso es die Stücke nicht auf Platte geschafft haben.
"Whatever Made You" (2000) erinnert entfernt an das "Connected"-Gerüst, während "Intruder" (2006) mit D'n'B-Atmo und Vocoder-Vocals aus dem Rahmen fällt. Musikalisch gehts insgesamt in Richtung Lounge, Downbeat und Club. Die Extra-CD "Classic Remixes" (Laufzeit: 75 Minuten) hält ebenfalls einen Haufen groovy Spezialisten-Material bereit: Etwa das zu "Disconnected" dekonstruierte "Connected" oder das komplett durch den Wolf gedrehte "Deep Down And Dirty". Leftfield steuerten einst ein bassiges "Step It Up" bei.
Der Livemitschnitt auf DVD aus der ersten Hälfte der 90er bleibt von der Bildqualität her naturgemäß bescheiden. Dennoch gehört er zu einem solchen Package unbedingt dazu: Die Liveenergie machte stets einen großen Teil des guten Rufs der Stereos aus. Das bestätigt die rund 24-minütige "Documentary", die wohl aus der "Deep Down & Dirty"-Zeit stammt. Interessant sind hier die zahlreichen Interviewschnipsel.
Island Records-Gründer und Stereos-Mentor Chris Blackwell oder Happy Mondays-Sänger Shaun Ryder erzählen vom Druck, der auf Rob und Nick nach dem "Connected"-Erfolg lastete. Dazu sprechen Mike Gee (Jungle Brothers), James Lavelle (UNKLE), Jurassic 5 und sogar der junge Robbie Williams über die Band.
Bei den Musikvideos fällt noch "Sweetest Truth" auf, ein wunderbar smooth perlender Track, der 1995 auf der Charityplatte "The Help Album" releast wurde. Bei aller Freude zum Schluss noch der Zeigefinger: Zwei, drei auffällige Rechtschreibfehler weniger im Booklet hätten es bei so einer klasse Box auch getan.
Noch keine Kommentare