laut.de-Kritik
Die Riffs sitzen, das Songwriting auch.
Review von Benjamin Troll"Retro Rock aus Skandinavien" ist längst eine gängige Band- oder Soundbeschreibung. Der Norden pflegt offensichtlich eine besondere Beziehung zur klassischen Gitarrenmusik, die Vertreter*innen dieses Genres sind zahlreich. Von den einen geliebt, rollen die anderen bei jedem neuen Release mit den Augen. Dass Stew keine Innovationspreise gewinnen, sei neben der obligatorischen Blues Pills-Verbindung gleich mal erwähnt - mit den Pills teilen sie sich immerhin die Heimatstadt Örebro.
Davon abgesehen bekommt man jedoch auch bei Stew einfach gute Rock-Musik geliefert. Das Power-Trio orientiert sich musikalisch am Bluesrock der härteren Gangart, im Opener "Keep On Praying" macht Drummer Nicklas Dahlgren mit einem rollenden Groove den Anfang, ehe seine Kollegen per Sahneriff einsteigen. Sänger Marcus Åsland, der nebenbei auch den Bass bedient, scheint im Kurs "Große Rocksänger" auf jeden Fall gut aufgepasst zu haben, seine Stimme verströmt Kraft und Blues. Gitarrist Nicklas Jansson hat den Song auch beim Solo jederzeit im Griff. "Still Got The Time" funktioniert nach dem selben Rezept. Ein melodiöses Riff, ein cooler Groove und nicht zu sehr aufs Gaspedal gedrückt, dafür aber mit Swag und Nachdruck ausgestattet. Der Eintopf schmeckt!
Stew kreieren aus ihrem bewährten Rezept eine spannende Mixtur. Immer wieder nehmen die Songs kleine aber feine Wendungen. Das Spiel der drei Schweden, vor allem aber Åslands Stimme geben "Taste" eine eigene Note. Dahlgren trommelt facettenreich und Jansson hat immer eine gute Idee, was den Songs eine eigene Spannung verleiht. So entsteht ordentliches Autobahn-Material à la "All That I Need" oder "Stranger In The City". Die Riffs sitzen, das Songwriting auch und sogar der ein oder andere mehrstimmige Stadion-Refrain kommt zum Tragen.
Richtig interessant wird es vor allem, wenn Stew ein paar neue Zutaten in die Suppe werfen. "You Don't Need Me" begeistert mit einem spannenden Wechsel zwischen Riff-Rock und ruhigeren, psychedelisch umwehten Passagen à la Cream. "Earthless Woman" bedient sich aus dem ganzen Regal der Musikgeschichte. Die drei Schweden sind jedoch in der Lage, zahlreiche Einflüsse so zu verarbeiten, dass abwechslungsreiche Songs mit eigener Handschrift entstehen. So auch auf dem Schlüssel-Track des Albums, "Heavy Wings", einem erstklassigen Beispiel, warum Rockmusik im Stile der 60/70er Jahre auch heute noch viele Menschen begeistert.
Mit "New Moon" schieben Stew kurz vor Schluss noch einen klassischen Rocksong ein, bevor das Album in der Blues-Hymne "When Lights Go Out" mit leichten Anleihen an 80er Power-Balladen einen würdigen Abschluss findet. Mag sein, dass Stew 'nur' ein weiteres Kapitel im großen Kochbuch des Schwedenrock darstellen. Das macht diese neun mitreißenden Songs aber nicht weniger beachtenswert.
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