laut.de-Kritik
25 Jahre Tanz auf dünnem Eis.
Review von Erich RenzSeit einem Vierteljahrhundert ist Sting nun Solitär und Eigenbrötler. Zuletzt fand er eklatanten Gefallen daran, Akkordprogressionen aus J.S. Bachs 'Kleines Präludium in C-Dur' zu adaptieren ("Whenever I Say Your Name"), Vierzeiler von William Blakes 'Auguries Of Innocence' einzumontieren ("Send Your Love") oder sich auf ein Wortspiel einzulassen, das aus seinem Namen und den 'Canterbury Tales' von Geoffrey Chaucer das dritte Studioalbum "Ten Summoner's Tales" ergab.
Als seine Solokarriere 1985 mit dem formidablen Jazz-Pop "The Dream Of The Blue Turtles" (hier mit vier neu abgemischten Titeln vertreten) begann, mangelte es ihm nicht an Selbstkritik. Dies äußerte sich bisweilen an der manischen Prägung, über seinen eigenen Publikumsknüller "Every Breath You Take" zu spotten. "Every breath you take, every move you make / Every cake you bake, every leg you brake", heißt es in "Love Is The Seventh Wave". Die Persiflage geht sogar so weit, dass genau zu dieser Textpassage das Lied ausgeblendet wird.
Schon bei der ersten Single des Debüts "If You Love Somebody Set Them Free" zeigte der ausgezeichnete Multiinstrumentalist keine Reue, seinen Police-Mitstreitern Andy Summers und Stewart Copeland den Rücken gekehrt zu haben. Er lernte u.a. Pianist Kenny Kirkland und Saxophonist Branford Marsalis kennen und nahm fortan regelmäßig mit ihnen auf.
Stings vergangene 25 Jahre lassen sich ebenso introspektiv wie biographisch nachempfinden, horcht und achtet man auf die kleinen Erzählkniffe, die persönlichen Antriebsfedern und Dämpfer, sowie die Wandelbarkeit der Stilistik. Das Scheitern seiner ersten Ehe mit Frances Tomelty ist in "Fortress Around Your Heart" vermerkt.
Im Winter 1986 starb Sumners Mutter, die sinistre Stimmung blieb auf dem Album "... Nothing Like The Sun" nachhaltig spürbar. Der Tod des Vaters machte ihm mit einer fortwährenden Schreibblockade zu schaffen, die er erst mit "Why Should I Cry For You", auf dem 1991 erschienenen "The Soul Cages", beendete. Er besingt die familiäre Tragik und die Begebenheiten der See und des Segelns - Sumner Seniors ewiger Wunsch war es gewesen, als Seemann anzuheuern.
Es war der Tanz auf dem dünnen Eis, den sich Sting immer wieder vornahm und mit dem sein Oeuvre besticht. Er oszillierte vom Jazz zum Pop, vom New Wave zum Soft-Rock, vom R'n'B zum Symphonieorchester und wurde einvernehmlich zum Konsensmusikus.
Besonders das erste Schaffensjahrzehnt zeichnete die herrliche Fähigkeit eines unkonventionellen Popstils aus. Dies wird, fast analog zum ersten Best-Of "Fields Of Gold", auf der ersten CD erfasst. Das gefällige "Mercury Falling" mit dem seichten Country-Rock "I'm So Happy I Can't Stop Crying", biederte sich dann etwas an.
Auch die Weltmusik-Bemühung "Brand New Day", hier vertreten mit "Desert Rose" und dem Titelstück, blieb in seiner zu groß gewordenen Ambition stecken. Das Sting meisterhaft mit Mary J. Blige und dem Song "Whenever I Say Your Name" bei der Käuferschaft scheiterte, aber 2004 den Grammy Award für die beste Pop-Zusammenarbeit im Bereich Gesang gewann, war Fluch und Segen zugleich.
Das barocke Genie Bach verhalf ihm einerseits zu kompositorischer Komplexität, andererseits verhinderte die vertrakte Harmoniestruktur den Zugang. "Russians", "Message In A Bottle", "Demolition" und "Heavy Cloud No Rain", aufgezeichnet in Berlin und New York, stecken die zweite CD als Live-Zugabe zuletzt ab.
Das Jubiläum ist eine Rückblende wert, um sich auf Spurensuche zu begeben und die Vergangenheit zumindest fleckenhaft abzugrasen. Den besseren Riecher für das Originäre wahrt man allerdings beim Rückgriff auf die beispielhaften Anfänge des Vielbefähigten ab Mitte der 80er.
3 Kommentare
Muss man das haben? Ein best of gabs doch schon jetzt wieder ein best of mit dem best of von nicht so alt. Ueberflüssig.
Geht halt auf Weihnachten zu....aber ich finde die Platte dennoch ganz gut.
Geht halt auf Weihnachten zu....aber ich finde die Platte dennoch ganz gut.