laut.de-Kritik

Die Vorreiterin einer feministischen R'n'B-Generation.

Review von

Obwohl Odd Future-Mastermind Tyler, The Creator im Sommer 2015 bekanntgab, das Kollektiv sei von nun an "no more", trägt der Dunstkreis der Kalifornier weiterhin ungebrochen Früchte. Eine, von der das nicht zwangsläufig zu erwarten stand, ist Syd (Tha Kid).

In den frühen OF-Tagen stellte sie der Clique ihr Gartenstudio für erste Aufnahmen zur Verfügung, heute zählt sie nach drei Alben mit ihrer Band The Internet im Allgemeinen und der grammynominierten 2015er-Platte "Ego Death" im Besonderen zu den Vorreiterinnen einer bewusst feministischen R'n'B-Bewegung.

Nur folgerichtig also, sich (zumindest temporär) vom Internet-Sound zu emanzipieren und auf dem ersten Soloalbum mit dem etwas irreführenden Titel "Fin" noch intimer, aufreizender und zugleich selbstbestimmter aufzutreten. Wenn man eine Entwicklung, die Syd in den letzten Jahren vollzogen hat, besonders herausheben möchte, dann ihren (selbst-)bewusste Umgang mit ihrer Sexualität und, damit einhergehend, ihrem ganzen Schaffen. "Fin" bündelt diesen Prozess nun auf zwölf stringenten Songs, streng nach dem Motto: "All About Me".

Wenn Syd allerdings von sich spricht, schließt das nahezu immer ein Gegenüber ein. Wie schon auf den meisten Internet-Produktionen, behandelt die erst 24-Jährige bevorzugt die positiven Seiten der Zweisamkeit. Auf "Body" etwa wird sie dabei intensiv wie selten zuvor: "Baby, we can take it slow, say my name / Don't let go, I can hear your body when I / Pull your hair, what's my name / Girl, I swear, I can hear your body, babe", haucht, stöhnt und flüstert sie ins Mikrophon, immer oszillierend zwischen Ekstase und Erschöpfung.

Produziert haben die schwer drumlastigen, manchmal klebrig-dunklen Beats Szenegrößen wie Hit-Boy, MeLo-X oder Syd selbst. Im Gegensatz zur Internet'schen Feel-Good-Attitüde lässt Syd auf "Fin" aber andere musikalische Einflüsse zu. Auf "No Complaints", einem fast schon industriell anmutenden Beat-Koloss, rappt sie virtuos, die Leadsingle, die Steve Lacy-Produktion "All About Me", kracht ähnlich rotzig und selbstgefällig ins Bild. Dem gegenüber stehen immer wieder entschleunigte R'n'B-Nummern mit schimmernden Synthies und stapelweise gelayerten Backgroundvocals.

Am besten funktioniert Letzteres auf dem zweiten Song "Know", dessen Beat wohl auch einer Aaliyah gut gestanden hätte. Darüber schwebt Syd, getragen von souligen Backgesängen und repetitiven, heruntergepitchten "Keep it on the low"-Rufen, dermaßen luftig, dass man die gar nicht so himmlische Intention des Songs beinahe vergisst: das Geheimhalten einer Liebschaft: "So don't get too excited, babe / Don't tell them about it, baby."

Nach einer guten halben Stunde kohärenter, manchmal fast schon routinierter, dafür aber stilsicherer Spielzeit bleibt die erschreckende Erkenntnis, wie unbeeindruckt die junge Dame ihren ersten Alleingang meistert. Besonders, wenn man sich vor Augen führt, dass sie das Album im Vorgang lediglich als "in-between thing, maybe get a song on the radio, maybe make some money, have some new shit to perform" betitelte. Für den Sommer hat sie ja bereits ein weiteres The Internet-Album angekündigt.

Trackliste

  1. 1. Shake 'Em Off
  2. 2. Know
  3. 3. Nothin To Somethin
  4. 4. No Complaints
  5. 5. All About Me
  6. 6. Smile More
  7. 7. Got Her Own
  8. 8. Drown In It
  9. 9. Body
  10. 10. Dollar Bills
  11. 11. Over ft. 6LACK
  12. 12. Insecurities

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2 Kommentare

  • Vor 7 Jahren

    Was das jetzt mit Feminismus zu tun hat, hätte ich schon gerne gewusst.

    Weil eine Frau übers Ficken und nicht nur das Geficktwerden spricht?

    Das 6LACK Feature hat mich neugierig gemacht und klingt schonmal ganz gut. Ist mir insgesamt aber zu altmodisch im Sound. So 90's R'n'B kann ich mir effektiv wirklich nur auf Hormonen geben.

  • Vor 7 Jahren

    Höre Mal den Rest an, paar moderne Ansätze sind ja schon zu erkennen, allerdings eher im Soundbild als im Gesang.