laut.de-Kritik

Diese Soldaten marschieren in Schaumgummi-Boots.

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Beim Thema Zirkus stellen sich sofort allerlei farbenfrohe Assoziationen ein. Pferde mit Federpuscheln, Clowns und Elefanten teilen sich die Manege. Eine geübte Truppe Artisten zeigt halsbrecherische Kunststücke. Dazu gesellt sich eine wahre Flut an Sinneseindrücken, Gerüchen und Musik.

Take Thats "The Circus" fährt von alldem bestenfalls die geübten Artisten auf. Auf gewagte Drahtseilakte verzichtet das blendend eingespielte Quartett allerdings völlig. An musikalischer Kühnheit hapert es ebenso wie am Mut zur Abwechslung, zur Farbe und zum Experiment.

Nicht, dass ich wesentlich anderes erwartet hätte als angenehm dahin plätschernde, solide gearbeitete Pop-Musik. Angesichts der auf der letzten DVD zelebrierten Selbstironie hätte ich mich über das eine oder andere Augenzwinkern oder hie und da einen kleinen Abstecher in dem eigenen Genre fremde Gefilde dennoch gefreut.

Davon vernimmt der geneigte Zuschauer nichts. Der Eindruck, der "The Circus" dominiert: Sachte! Sachtes Piano, sachte Akustikgitarre, sachtes Hintergrundgewaber, sachter Gesang. "Can you hear the soldiers coming?" Nö, sorry. Kann ich nicht. Sie müssen wohl in Schaumgummistiefeln marschieren.

Bläser samt Tuba (!) und oszillierende Streicher bereichern das Instrumentarium. Wohl dosiert eingesetzt erzielt das Üppigkeit, ohne überfrachtet zu erscheinen. Schöne Melodien fahren die Herren Barlow, Donald, Orange und Owen zudem auf, keine Frage. Das Gefühl, all das bereits irgendwo gehört zu haben, beschleicht mich jedoch mehr als einmal.

"Sha-la-la-la-la"-Gesänge neben einer kaum merklich in countryeske Regionen abgleitenden Gitarre in "Julie" wirken vertraut. In "You" heult man statt mit den Wölfen mit Streichern um die Wette.

Gleich die ersten Noten bezeichnen die "Said It All" durchdringende Melancholie. Prompt kullern die Tränen: "When the tears fall away / And there is no conversation / There's nothing left to break / That's not already broken." Na, na, na! Davon, Porzellan zu zerschlagen, halten Take That doch wirklich mehrere Lichtjahre Distanz.

Im Grunde geschickt konstruierte Spannungsbögen laufen immer wieder ins Leere. Was zum Kuckuck den "Greatest Day" davon trennt, eben dieser auch tatsächlich zu sein, bleibt ebenso ungeklärt wie die ewigen Rätsel "What Is Love" oder "How Did It Come To This".

Fans werden der Aufforderung "Hold Up A Light" unter Garantie Folge leisten. Durchgehend herrscht Feuerzeug-Alarm. Wer weiß? Vielleicht kommt damit letztlich doch Licht ins Dunkel des Mysteriums, warum man den schmissigsten Song von allen schamhaft als hidden track verbuddelt.

Trackliste

  1. 1. The Garden
  2. 2. Greatest Day
  3. 3. Hello
  4. 4. Said It All
  5. 5. Julie
  6. 6. The Circus
  7. 7. How Did It Come To This
  8. 8. Up All Night
  9. 9. What Is Love
  10. 10. You
  11. 11. Hold Up A Light

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