laut.de-Kritik

Besser am Sonntag ruhen, als das hier hören.

Review von

"Amphetamine Smiles" von Taking Back Sunday ist so ein ausgesprochen schwacher Opener, dass man ihn wirklich ganz besonders hervorheben muss. Das ganze Thema ist so krass abgeschmackt, eine wirre Story aus Drogenmissbrauch und unglücklicher Liebe, aber mit einem für "152" charakteristischen paternalistischen, hochgradig unangenehmen Imperativ, garniert mit "Love you like a brother / Love you like no other / I'ma love you 'cause no other can". Verstehen tut die dammischen Weiber halt nur Adam Lazzara, und zum Glück sagt ihnen "152" jetzt auch, was sie zu tun haben. Falls sie es vergessen haben sollten, denn: "We talked until the sun came up / It meant so much / We don't remember what". Weder ist Lazzaraa 15, noch Ausländer, besonders viele Ausreden für diese Texte hat er abgesehen von dialogbedingtem Schlafmangel also nicht.

Dabei geht diese Platte doch besonders nahe ans Herz dieser immer schon so der eigenen Geschichte verbundenen Band, denn am Exit 152 traf man sich früher, um gemeinsam zu Touren aufzubrechen. Das ist eine nette Geschichte, von der auf dem Album aber nichts hängenbleibt.

"Amphetamine Smiles" ist leider noch nicht fertig besprochen, denn wie beim Fußball der Torwart nie alleine versagt, so reiht sich der Rest der Truppe qualitativ direkt hinter dem Mann am Mikrofon ein. Stabil liefern eigentlich nur die Streicher, die kommen aber hoffentlich aus dem Keyboard, wo könnte man die sonst so schmalzig bestellen? Besonders schlimm ist der "Ausbruch" nach 1:20 Minuten, der so harmlos ist wie ein Fünfjähriger, der der verweigerten zweiten Eiskugel hinterhertrotzt. Einer der schlechtesten Songs, die ich jemals hören durfte.

Zurück zu Lazzara. "I Am The Only One Who Knows You" ist im Titel schon so abstrus anmaßend, dass selbst Robbie Williams zu besten Speedzeiten kurz gezögert hätte, den auf Papier zu bringen: "And I'm the only one who knows you / I'm the only one who knows / When there's a feeling, there's a promise, there's an innocence gone". So ist das mit der Unschuld: Einmal im falschen Moment Taking Back Sunday gehört, und schon ist sie weg. Mir zumindest ging es so nach schematischen, pseudotraurigen Anti-Erbauungsongs wie "Quit Trying" ("I took my time, I held my tongue / Knew all along that you were the one").

Aus den alten Emo-Zeiten hat neben der Weinerlichkeit und der manchmal erhobenen Stimme Lazzaras vor allem der tatsächlich oftmals ausgesprochen gut produzierte Bass überlebt, der Schlagzeug und Gitarre quasi durchgehend in den Hintergrund drängt. Das mag man Shaun Cooper nicht übelnehmen, da insbesondere Mark O'Connell am Schlagzeug absolut nichts einfällt, was irgendeiner Erwähnung wert wäre.

Man muss sich immer wieder in Erinnerung rufen: Das ist die Band in genau der Besetzung, die das wirklich, wirklich gute "Happiness Is" hervorbrachte. Das angesichts Songs wie dem emotionslosen Lounge-Emo-Pop von "The One", den gefühlt unendlichen Wohohoho-Chören von "Keep Going", der auch musikalisch besonders schlimmen, drucklosen, kaum greifbaren und mit Audio-Detekoren mutmaßlich kaum nachweisbaren Pop-Schmonzette "I Am The Only One Who Knows You", den ehrlich lustigen, da so peinlichen Backing Vocals von "Lightbringer" und dem mit maximaler Handbremse auftretenden Stomper "The Stranger" zu akzeptieren, fällt unendlich schwer.

Wie selten die Sonnenstrahlen durch die dicken Sonntagswolken brechen, zeigt "S'old", das schon mit einem gescheiten Grunge-Riff beginnt, dann zwar auch mit hirnzerstiebenden Lyrics aufwartet ("Well, I am one of God's great creatures / 'Cause science never lies, it only learns"). Immerhin zeigt Lazzara hier mal, dass er, wenn er will, mit Druck in der Stimme arbeiten kann. Nolan bequemt sich zu ernsthafter Gitarrenarbeit, und schon wird dieser kreuzbieder angelegte Song ehrlich unterhaltsam.

Dieses vernünftige Niveau erreichen die Sonntagsschüler ansonsten nur ansatzweise auf "Quit Trying", das zwar fad aufgebaut, aber zumindest ordentlich ausgeführt ist: Der Shouting-Part des Sängers als Kontrapunkt hebt den ganzen Song. Das sind die Strohhalme, an denen man sich auf "152" entlang hangeln muss. Besser die nächste Ausfahrt abwarten, North Carolina ist ja schön.

Trackliste

  1. 1. Amphetamine Smiles
  2. 2. S'old
  3. 3. The One
  4. 4. Keep Going
  5. 5. I Am The Only One Who Knows You
  6. 6. Quit Trying
  7. 7. Lightbringer
  8. 8. New Music Friday
  9. 9. Juice 2 Me
  10. 10. The Stranger

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