laut.de-Kritik
Die Charthölle der 90er und 00er als Tanzveranstaltung.
Review von Toni HennigThe Baseballs überführten auf bisher vier Studioalben internationale Charthits ins Rockabillygewand. Innerhalb und außerhalb Deutschlands erspielte sich die Band eine treue Fangemeinde und gewann zweimal den Echo. Auf "Game Day" (2014) bewiesen die Berliner, dass sie auch eigene Songs schreiben können, "Hit Me Baby ..." setzt wieder auf das bewährte Coverrezept. Diesmal interpretieren Basti, Sam und Digger die Hits der 90er und 00er neu.
Die Neueinspielung von Take Thats "Back For Good" mit Fingerschnippen und Doo-Wop-Chören lässt ab der ersten Sekunde die Schmalztolle wippen. Es folgen mit "No Matter What" von Boyzone und "Everybody (Baseballs' Back)", im Original von den Backstreet Boys, noch weitere Boygrouphits im Vintagestil. Über das glaubhafte Lebensgefühl einer Autosendung auf DMAX geht die Musik des Trios aber seit jeher kaum hinaus.
Die Girlgroups kommen auch nicht zu kurz. So drehen The Baseballs "Wannabe" von den Spice Girls und "Overload" von den Sugababes durch den 50's-Fleischwolf. Mit ihren frechen Arrangements haben sich beide Tracks bis heute erstaunlich gut gehalten. Die drei Berliner degradieren sie dagegen zu ausgelassenen Stimmungsgranaten. Den Charme der Originalversionen fangen sie leider nicht ein.
The Baseballs schenken den alten Chartbreakern im weiteren Verlauf ein paar zusätzliche Akkorde und das ein oder andere Gitarren- und Klaviersolo, aber weichen von ihrem Kurs als Partyband in Jeans und Doc Martens kaum ab. "Let's Talk About Sex" von Salt-N-Pepa funktionieren sie trotzdem zur federleichten Schlafzimmerballade um, die annähernd ein dezentes Elvis-Feeling versprüht.
Es folgen Banalitäten wie "I Believe I Can Fly" von R. Kelly und der furchtbare Schmachtfetzen "You Raise Me Up" von Secret Garden im Schunkelgewand. Im Formatradio und den Videokanälen konnte man diesen Songs schon damals kaum entfliehen.
"... Baby One More Time" von Britney Spears besitzt immer noch eine hervorragende Melodie und macht mit saftigen Bläsern und Chuck-Berry-Gedächtnisgitarre im frischem Gewand eine Menge Spaß. Das nächste Oldtimertreffen und die Tattoomesse von nebenan dürfte "Hit Me Baby ..." also stimmungsvoll untermalen.
Dass der Rock'n'Roll der 50er nicht mit besonders ausufernden, dafür simple Akkordfolgen geglänzt hat, lässt so manchen Charthit wie eine gruselige Reißbrettnummer erscheinen. Chers "Believe", das erste Autotuneverbrechen überhaupt an der Chartspitze, fällt mit aufgepepptem Arrangement leider auch nicht mehr in den Jungbrunnen.
Bei dem Casting-Machwerk "Daylight" von den No Angels setzt der Verdrängungsmechanismus ein, bevor die ersten Töne überhaupt den Hörer erreichen. The Baseballs interpretieren die Vorlage wenigstens mit spürbarer Freude, wie so vieles aus dem Fundus der Charthölle. Aus einem generischen Track von der Stange erwächst trotzdem kein Grower mehr, den man sich freiwillig 30 Sekunden anhören möchte.
Trotz aller Einschränkungen fühlt man sich hier doch gut unterhalten. Für ausgelassene Stimmung sorgen The Baseballs Coverversionen bekannter Charthits allemal. Manchmal schießen sie über das Ziel hinaus und hättten die ein oder andere Nummer zur Ausschlachtung lieber den Hitgiganten überlassen sollen, aber das war auf den Alben davor nicht anders. "Hit Me Baby ..." geht zu Lasten der künstlerischen Entwicklung und versprüht so viel Spirit wie ein Wackelelvis, bleibt jedoch ein solides und zweckdienliches Tanzalbum.
3 Kommentare
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jetzt bin ich neugierig was hat babyshylock denn gepostet, dass sein posting entfernt wird?
es gibt aktuell übrigens sehr viele geile releases aus der rockabilly, psychobilly oder punkabilly szene! das vorliegende album gehört NATÜRLICH nicht dazu
wer geilen rock´n´roll hören will, leiht al & the blackcats ein ohr wäre ich nicht so verliebt in meinen vokuhila, täte ich mir glatt die haare zurück gelen.
Ich bin da ganz anderer Meinung... aber über Geschmack lässt sich ja bekanntlich nicht streiten! Die Originalversionen der 90er gehen nicht (mehr) an mich, wohingegen die Versionen der Baseballs mich mit den Rhythmen total fangen. Angemerkt sei noch, dass die drei (inklusive ihrer Liveband) wirklich richtig Gas auf der Bühne geben und ich selten auf einem so hammermäßigen und mitreißenden Konzert war, wie bei The Baseballs! (Um genau zu sein: noch nie! Weswegen wir gleich zwei Mal auf dieser Tour waren und ich würde auch noch ein drittes Mal gehen, wenn sie nicht leider schon vorbei wäre. Seit wir auf den Konzerten waren, sind wir aber auch gleich noch doppelt und dreifach mehr Fans als zu vor. Absolute Empfehlung!).