laut.de-Kritik

Beängstigende Musik für beängstigende Zeiten.

Review von

"Sollten einst tatsächlich im 'Terminator'-Style die Maschinen den Aufstand gegen die Menschheit proben: Mich würde nicht wundern, beauftragten sie The Bug mit der Komposition der zugehörigen Marschmusik." Das schrieb ich über "London Zoo" - vor verdammten 16 Jahren. Es scheint, als sei der Tag der maschinellen Machtübernahme nun tatsächlich gekommen. Zumindest hört es sich so an: Die "Machine" hat assimiliert, was sich assimilieren ließ, und den Rest vom Antlitz der Erde gekratzt. Nur Kevin Martin haben sie übrig gelassen. Einer muss ja die grotesken Monster kommandieren, die seinen Reglern entsprungen sind.

Seit über zwanzig Jahren entfesselt dieser Mann nun schon eine musikalische Apokalypse nach der anderen. Wenn der etwas explizit als "eiskalt und dystopisch" bezeichnet, ist wahrhaftig der Moment gekommen, um sich zu fürchten. "Annihilated", "Floored", "Buried", "Bodied" ... die Tracks hätten die bedrohlichen Titel im Grunde genauso wenig gebraucht, wie die plakativ anti-anheimelnden Untertitel. "Slowly Dying", "F-cked Up", "Your Life Is Short", "Send For The Hearse", my ass! Hätte er das Zeug "Blumenwiese", "Hygge", "Puppy Eyes" oder "Einhorn Glitzerglück" genannt, es würde mir unterschiedslos genau so die Scheiße aus dem Leib gruseln.

"Let The Machines Do The Talking", das nahm The Bug diesmal wörtlich: Erstmals verzichtet er auf Horden von Gast-MCs und bleibt rein instrumental. Die Abwesenheit menschlicher Stimmen unterstreicht den post-apokalyptischen Vibe. Man fühlt sich, wie frisch aus einem Vault-Tec-Bunker gekrochen, bloß dass man sich nicht in einer menschenleeren Wüstenei wiederfindet, sondern mitten auf einem Schlachtfeld der Robot Wars.

Zeit, sich zurecht zu finden, lässt Kevin Martin nirgends. In "Floored", etwa fallen einen aus weißem Rauschen heraus unvermittelt hämmernde Bässe an, und schon sind wir mittendrin. Auf einem Schlachtfeld? Auf dem Grund eines Bombenkraters? Sucht es euch aus. Wer zu diesem Klängen vor dem geistigen Auge keine Armeen von Klonkriegern aufmarschieren sieht oder das Gefühl bekommt, irgendwelche Skynet-Drohnen schwirrten dicht, viel zu dicht am eigenen Gesicht vorbei, hat definitiv zu wenige Filme gesehen.

Die eigentliche DNA des The Bug-Sounds lässt sich an wenigen Stellen noch erahnen. Meist ist der Panzer aus Industrial, Distortion, Hall, Echo und purem Metall, der sie umschließt, aber so dick, dass der Dub-Reggae nur noch als vage Erinnerung durchs Unterbewusstsein wabert. Statt dessen dreschen die Bässe im trägen, aber stetigen Marschrhythmus unmittelbar auf den Vagusnerv. Oder direkt ins Knochenmark, keine Ahnung. So maschinell dieser Sound auch konzipiert und
konstruiert wurde: Ihm ausgesetzt zu sein, lässt sich nur höchst organisch als intensive Ganzkörpererfahrung beschreiben.

"Shafted" klingt, als habe Kevin Martin eine korrodierte Kirchenglocke zusammen mit einem wütenden Wespenschwarm in diesen Aparillo aus "Die Fliege" gestopft. Mit dem, das da rauskommt, möchte man nichts zu tun haben, hochgradig faszinierend erscheint die Chimäre aber doch. Stellt sich raus: Auch bei diesem Track passt der Untertitel perfekt, "Laws Of Attraction / Repulsion". Komm, geh weg!

Es gibt aber ohnehin kein Entrinnen, also kann man sich auch gleich ergeben und sich von dieser Killerdampfwalze zerquetschen lassen. Irgendwann, nachdem ein Amboss am anderen auf meinen Hörnerv gefallen ist, meine ich sogar, hin und wieder einen Melodiefetzen ausmachen zu können. Wie das Cornetto-Papier aus "World's End", ein Gruß aus anderen, längst vergangenen Tagen. Da! Hör' ich da ein Klingeln? Ach, nein ... war wohl doch nur die akustische Entsprechung zu den Sternchen, die man sieht, wenn man eine aufs Auge gekriegt hat.

Ja, "Machine" ist eine Tortur. Aber, hey! Wir leben in beängstigenden Zeiten. Sich da in noch beängstigendere Musik zu flüchten: vielleicht leise irre, aber konsequent.

Trackliste

  1. 1. Annihilated (Force of Gravity)
  2. 2. Shafted (Laws Of Attraction/Repulsion)
  3. 3. Sickness (Slowly Dying)
  4. 4. Vertical (Never See You Again)
  5. 5. Floored (Point Of Impact)
  6. 6. Drop (Machine Sex)
  7. 7. Hypnotised (F-cked Up)
  8. 8. Inhuman (Let Machines Do The Talking)
  9. 9. Departed (Left The Body Behind)
  10. 10. Buried (Your Life Is Short)
  11. 11. Bodied (Send For The Hearse)
  12. 12. Exit (Wasteman)

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Eigentlich ist Kevin Martin ein Brite, wie er im Buche steht. Als Sohn eines irischen Vaters und einer schottischen Mutter in Wales geboren, verbringt …

1 Kommentar

  • Vor 6 Tagen

    Haha, danke für den Tipp. Hab "Fire" gefeiert, dann wieder vergessen ob all der neuen Ware. Dank diesem Artikel kärchere ich grad meine Innereien, wiedermal. Wunderbar. Aber (für mich) nur in homöopathischen Dosen.