laut.de-Kritik

Aufstand der Maschinen in der Dancehall.

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All jene, die sich außerstande sehen, Krach auszuhalten, dürfen auf der Stelle umkehren, wenn The Bug vom Plattencover grüßt. Der Vorgänger "Pressure" war zu hart für Euch? In diesem Fall ist ein Besuch im "London Zoo" keineswegs anzuraten. Kevin Martins Ansage von 2003 gilt unverändert: "You just let us know the way you want us to destroy the club - we do."

Eingängige Tanzbarkeit, fröhliche Vibes? Vergesst es. Freunde ebenso dreckiger wie lärmender Mash-Ups aus Ragga-Vocals, düsteren Dancehall-Beats, stockfinsterem Hip Hop und Grime werden in The Bugs elektronischer Menagerie dafür ihre helle Freunde haben. Versprochen.

Dass "London Zoo" in ausreichender Lautstärke genossen werden muss, sollte sich von selbst verstehen. Dann entpuppt sich bereits der Eröffnungstrack als veritabler Genickbrecher. Mit monströser Wucht stampfen die Bässe, flankiert von blechern scheppernden Sounds, geradeaus. Tippa Irie am Mikrofon macht dem Titel alle Ehre: Hier steigt jemand tatsächlich stinkend "Angry" in den Ring.

Der britische Reggae-MC eröffnet damit einen Reigen verschiedenster Vokalisten, die in apokalyptischen Kulissen Frust und Unzufriedenheit Luft machen. Seit jeher versteht sich The Bug als Projekt, das allen Beteiligten als Ventil dienen soll. Diesem Anspruch wird "London Zoo" inhaltlich wie musikalisch voll gerecht.

Abwechslungsreichtum wird dabei groß geschrieben, ohne dass der rote Faden - hier besser als brennende Lunte zu verstehen - verloren ginge. Melodiegetragenes Toasting von Ricky Ranking, die quengelnde Nöligkeit einer Warrior Queen, der an eine Spoken Word-Performance erinnernde Auftritt Spaceapes in "Fuckaz" oder die Silben-Schnellfeuer, die Roll Deeps Flow Dan wie ein Maschinengewehr ausspeit: Sie alle eint unversöhnliche Kompromisslosigkeit.

Kevin Martin an den Reglern setzt dieser die Krone auf. In seiner Welt existiert keine Entsprechung für "Behaglichkeit". Dancehall-typische, aber ungeheuer verfremdete Effekte wie Sirenen und Hupen dienen dem kriechenden Beat von "Murder We" als Rhythmusgeber. In Perfektion zelebriertes Pendeln zwischen brachialem Haudrauf und fast gespenstisch anmutenden Passagen: nix für schwache Nerven.

Im "London Zoo" knarzt, knistert, rauscht, pumpt und wummert es aus sämtlichen Gehegen, als habe man sich in eine endzeitliche Fabrikhalle verirrt. Wie von weit her, durch atmosphärische Störungen beklagen Ricky Ranking und Aya "Too Much Pain". "Jah War" taucht Gehör und Gehirn mit ständigen Lautstärke- und Tempo-Wechseln und dem Hin- und Herblenden zwischen Vorder- und Hintergrund in unfrohe Wechselbäder, bevor rechtzeitig zum letzten Gericht in "Judgement" der Soul ausgepackt wird.

Einmal mehr landet Kevin Martin eine Serie von Tiefschlägen, die es an Intensität mit der akustischen Untermalung von David Lynchs "Eraserhead" aufnehmen kann, dabei aber unglaublich strukturiert und berechnend erscheint. Sollten einst tatsächlich im "Terminator"-Style die Maschinen den Aufstand gegen die Menschheit proben: Mich würde nicht wundern, beauftragten sie The Bug mit der Komposition der zugehörigen Marschmusik. Er verfügt über alles Nötige: beats, bombs, bass, weapons.

Trackliste

  1. 1. Angry ft. Tippa Irie
  2. 2. Murder We ft. Ricky Ranking
  3. 3. Skeng ft. Killa P & Flowdan
  4. 4. Too Much Pain ft. Ricky Ranking & Aya
  5. 5. Insane ft. Warrior Queen
  6. 6. Jah War ft. Flowdan
  7. 7. Fuckaz ft. Spaceape
  8. 8. You & Me ft. Roger Robinson
  9. 9. Freak Freak
  10. 10. Warning ft. Flowdan
  11. 11. Poison Dart ft. Warrior Queen
  12. 12. Judgement ft. Ricky Ranking

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