laut.de-Kritik
Dave Grohl schickt die Jarman-Brüder zur Kur nach L.A.
Review von Alexander KrollVergesst eure Sorgen und kommt nach L.A.! Bei solch einer Einladung mussten The Cribs nicht lange überlegen. Nach der Trennung vom langjährigen Management und quälenden Rechtsstreitigkeiten rund um ihren Backkatalog bot sich der nordenglischen Indie-Rockband ein außerordentlicher Lichtblick, als ausgerechnet Foo Fighters-Frontmann Dave Grohl beim gemeinsamen Stadionkonzert in Manchester den Vorschlag machte, ein Album in seinem Studio 606 aufzunehmen. Statt also der Idee nachzugeben, die Band aufzulösen, packten die drei Brüder Ryan, Gary und Ross Jarman ihre Koffer und nahmen mit "Night Network" das achte Album ihrer Karriere auf.
Entstanden ist ein Werk zwischen Anspannung und Aufbruch. Ein Album, das zunächst Kopf steht. Während seinerzeit selbst die Streithahnbrüder von Oasis die Hörerschaft von "(What's The Story) Morning Glory?" höflich mit "Hello" begrüßten, heißt es hier gleich zu Beginn "Goodbye". Doch es ist ein wohlklingender Abschied mit sanften Surf-Pop-Harmonien und einem betörend fiependen Gitarren-Outro, wodurch der folgende Neubeginn umso stärker klingt. "Das war unsere Art, uns von jener Lebensphase zu verabschieden", erklärt Schlagzeuger Ross Jarman, "lasst uns weitermachen". Genau das tun die Cribs mit der hitverdächtig hereinbrechenden Indie-Rock-Hymne "Running Into You".
Komplett selbst produziert, kreist "Night Network" zwischen Rückblicken und Zukunftsvisionen. Mal gelingt das besser, mal lähmen gute Absichten. Für die fanbase-freundliche Jugenderinnerung "Screaming In Suburbia" haben die Cribs ein Riff aus punkigeren Anfangszeiten auf Minidisc ausgegraben, doch das schlichte Motiv bleibt angestaubt und hemmt den gegenwärtigen Drive. Wie beflügelnd Trauerarbeit klingen kann, zeigt dagegen "Never Thought I'd Feel Again". Zwischen ausladender Noise-Verzerrung und pointierter Falsett-Verzierung versöhnt der Track die Pole von Melancholie und Euphorie und revitalisiert eindrucksvoll den Bandsound.
"Night Network" bietet über weite Strecken melodisch beschwingten Punk-Pop. Bei aller Schroffheit entfalten Songs wie "She's My Style" oder "Siren Sing-Along" über tanzbare Rhythmen und gezuckerte Melodien eine Theatralik, die sogar Motown-Soul herbeiruft, oder Queen, eine Lieblingsband der Cribs, die im Studio 606 als Gesprächsthema mit den Foo Fighters auch mal die Aufnahmen verzögerte. Heraus kommen gute Pointen, aber auch ungelenke Konstellationen. "Deep Infatuation" strauchelt zwischen einem erhebenden Refrain, der Liam Gallagher gut zu Gesicht gestanden hätte, und etwas beschwerlichen Strophen, die klanglich und lyrisch zwischen den Genres wanken.
Gerade dadurch, dass die neunzehnjährige Band ihren Findungsprozess fortsetzt, entfernt sie sich weiter vom abwertenden 'Landfill Indie'-Stempel, den britische Musikjournalisten heimischen 2000er-Nachwuchsbands wie Kasabian, Razorlight oder The Futureheads aufdrückten. Wie stark das Songwriting der Gruppe gerade an einem Wendepunkt sein kann, zeigt sich besonders in der Mitte und am Ende des Albums.
Zusammen mit Sonic Youth-Gitarrist Lee Ranaldo verortet "I Don't Know Who I Am" das Gefühl der Orientierungslosigkeit in einer impressionistischen Shoegaze-Schwelgerei. Das Finale "In The Neon Night" liefert eine verspielte Motivationshilfe, die sich gleich mit der Eröffnungszeile "Lost in the forest / Was an Englishman" in Blurs besten "Country House"-Zeiten einquartiert. Für solche Mitbringsel könnte man mehr Bands nach Los Angeles schicken.
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