laut.de-Kritik
In tiefschwarzer Nacht aus dem Soul in den Alptraum und zurück.
Review von Sven KabelitzAlbentitel wirken nicht selten ausgewürfelt, einfach wie ein Name, um die gesuchte Platte aus der Masse herauszufiltern. "Lonesome Traveller" trifft es besser. Die zwei Wörter beschreiben seinen Inhalt perfekt.
Im beginnenden Frühling des Jahres 2012 klingt das neue Album von The Dining Rooms fast erschreckend kalt und melancholisch. Einsamkeit in einer tiefschwarzen Neumondnacht. Gleichzeitig inspirierte eine Sammlung von Kurzgeschichten über das Reisen aus der Feder von Jack Kerouac aus dem Jahre 1960 die Platte.
Obwohl die Geschwindigkeit der einer gemütlich vor sich hingrinsenden Schildkröte gleicht, die soeben ein Cannabisfeld abgeweidet hat, geht es auf "Lonesome Traveller" spürbar und stetig voran. Doch das erreichte Ziel bleibt kurz vor Ende nur "Elsewhere". Wir sind die Träumer.
Als wahrer Glücksfall für die Band erweist sich die Zusammenarbeit mit Sänger Jake Reid, dessen charismatische gebrochene Stimme "Lonesome Traveller" weit über das Mittelmaß hinaushebt. Über die Hälfte der Tracks verfeinert er so.
Neben seinem Gesang beherrschen ein klarer Klaviersound und ein Rhythmusgebilde, so zerbrechlich und fein wie ein chinesisches Teeservice, die cineastische Szene.
Bereits in "Stoic Calm" treffen akustische Gitarre, Stimme und schleppendes Arrangement auf eine Art und Weise zusammen, wie es zuletzt auf "Moon Safari" von Air zu hören war. Melancholie zum Einkuscheln.
"Pushing Them Away" beginnt im wollig groovenden Soul-Land, um in der Mitte die Abzweigung zum Alptraum und zurück zu nehmen. Voller Erwartung pirscht sich das Klavier im Jazz-Bastard "Io Cammino Ma..." an die Ohrmuschel, um sich festzubeißen, um zu rühren, nicht zu schütteln.
Einer in Form gepressten Version von Can kommt "Fading Gradually" gleich. Blitzend wie die tausenden elektronischen Sternschnuppen, die während des Tracks um uns hernieder gehen, bildet es das Highlight von "The Lonesome Traveller". Wunderschön, doch dem Untergang geweiht.
Der Film "Innenleben" ("Interiors") von Woody Allen kam einst vollkommen ohne Soundtrack aus. Den liefern The Dining Rooms zusammen mit Jake Reid nun 34 Jahre später ab. Die zwischenmenschlichen Beziehungen und ihre Tiefen stehen im Mittelpunkt. Das Lied wirkt im Vergleich zu seinen Albengenossen noch mehr in sich selbst verkrochen.
The Dining Rooms klingen auf "Lonesome Traveller" elegant, unaufgeregt und gestrig. Ihre Werte, ihre übertragenen Sounds und Gefühle erinnern an Brian Eno, die frühen Air und Massive Attack bei einer traumatischen Trennung von Soul und Jazz. Wir wohnen dem letzten Aufeinandertreffen bei und es schmerzt in der Seele. Denn das schlimmste, das es gibt ist nicht, dass man sich trennt. Sondern dass man sich trennt, obwohl man sich liebt.
1 Kommentar
klingt hochinteressant. muss ich kennenlernen. geiler tipp, svennie