laut.de-Kritik
Die Engländer zelebrieren die hohe Kunst des wortlosen Storytellings.
Review von Dani FrommDiese Engländer! Manchmal möchte man ihnen wirklich die Hände küssen, besonders, wenn sie, wie im Fall der Herren Herbaliser, derart begnadet die Regler schieben. Ein ums andere Mal erscheint die Bezeichnung "Beats" vollkommen unzureichend für die detailverliebten, vielschichtigen, clever komponierten und zudem höllisch abwechslungsreichen Instrumentals, die die Schmiede des Duos verlassen.
"Same As It Never Was" setzt diese Tradition auf das Vortrefflichste fort. Tief in der fruchtbaren Erde von Soul und Funk wurzelt, was wie selbstverständlich, mühe- und bruchlos eine Brücke zwischen Gestern und Heute schlägt und schließlich eindrucksvolle Blüten aktueller Hip Hop-Kunst treibt.
Wie von selbst verbinden sich funky Bläserarrangements, Soulgesang, Raps, Cuts und Scratches zu einem organisch gewachsenen Ganzen, das Jahrzehnte ineinander gleiten, Genregrenzen verschwimmen lässt. Scheuklappen, die Hip Hop noch nie gut zu Gesicht standen, lösen The Herbaliser im Säurebad ihrer Aufgeschlossenheit restlos auf.
Ebenso muss das klassische Missverständnis "Ohne Rap kein Hip Hop" dran glauben. Hip Hop funktioniert auch instrumental. Die hohe Kunst des wortlosen Storytellings demonstrieren The Herbaliser erneut mehrfach. Der Titeltrack verzichtet weitgehend auf Vocals, ebenso das Soundtrack-artige "The Next Spot", das vertraut anmutende Elemente mit feinsinnigen Spielereien kombiniert und die Stimmung von dunkler Verschlagenheit in glitzernden Glamour überführt.
In "Amores Bongo" verbindet sich eingängiges Geklimper aus der Klamottenkiste mit dezent dosierten elektronischen Klängen. Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten treffen auf Captain Future. Würden heute noch Stummfilme gedreht: So und nicht anders müsste die musikalische Untermalung aussehen.
Wenn möglich noch packender gerät "Blackwater Drive": Während die Fahrt durchs schwüle Dunkel unaufhaltsam geradeaus geht, gestatten The Herbaliser Blicke in hell erleuchtete Fenster, in denen mittelalterlich anmutende Akustikgitarren oder jazzlastige Saxophon-Improvisationen geboten werden.
Das abschließende "Stranded On Earth" hält Raum für weitere Assoziationen und noch mehr akustische Bilder parat. Wie Perlen auf einem von den Drums gesponnenen roten Faden fädeln sich zahlreiche Einzelheiten auf. Der Gesang der viel und oft strapazierten Jessica Darling, die mir an anderer Stelle gelegentlich ein wenig zu bemüht auf der gerade angesagten Soul-Welle schwimmt, erscheint hier auch nicht gar so retro.
Ein ordentlicher Rap-Part bleibt dennoch keineswegs zu verachten. Dafür sorgt der Nordlondoner Yungun, dessen flüssigen Zeilen Fanfaren und Harfen, Scratches und Drums in "Just Won't Stop" ein schlankes, überaus edles Ambiente erschaffen: "I just won't stop 'cause the time rolls on and on and on ..." More or Les verziert in "Game Set & Match" den Beat, der durch hallende Paukenschläge und hoppelndem Ziehharmonika-Gedudel halb nach Balkan, halb nach Zirkusmusik tönt, mit zungenfertigen Doubletimes.
Für den Höhepunkt sorgt allerdings einmal mehr die unerreichte Jean Grae, die in "Street Karma" elegant flowend in bester "The Message"-Manier von scheinbar unausweichlichen Schicksalen berichtet. The Herbaliser nehmen sich hier stark zurück. Ihr schlichtes Instrumental setzt mit Bass, ein paar Geräuschen und einzelnen Flötentönen lediglich Akzente zum Vortrag einer exzellenten Poetin.
2 Kommentare
brav
der hammer