laut.de-Kritik
Mit Maschinenrhythmen zu neuen musikalischen Ufern.
Review von Toni HennigDie in London ansässigen The Horrors haben sich mit jedem Album kontinuierlich weiterentwickelt. Auf ihren letzten beiden Platten "Skying" und "Luminous" klang ihr Sound breitwandiger und opulenter als man es bisher von der Formation gewohnt war. Vor Kurzem dürften sie sogar gemeinsam mit Depeche Mode auf Tour gehen. Ihr aktuelles Werk "V" produzierte Grammy-Gewinner Paul Epworth, der schon in der Vergangenheit mit Adele, Coldplay und Lorde zusammengearbeitet hat. In Mainstream-Pop-Gefilde stoßen die Briten jedoch nicht vor.
Der Opener "Hologram" offenbart eine Verlagerung des Sounds in eine elektronischere Richtung. Trotz der vielen Störgeräusche und der dystopischen Synthies in Anlehnung an Gary Numan bleibt der Track wegen seiner repetitiven Schlagzeug-Rhythmik überaus eingängig und tanzbar.
Womöglich erinnert der Ausgangsbeat in "Machine" nicht zufällig an "Machine Gun" von Portishead. Dennoch rückt die Band von ihrem sphärischen Shoegaze auf dieser Nummer keineswegs ab. Nur verfremdet man das Gitarrenspiel von Joshua Hayward bis zur Unkenntlichkeit. So mechanisch und unterkühlt hat man The Horrors noch nie gehört.
Außerdem kam keine Platte der Briten so midtempolastig daher. Bis sich die melodische Klasse der einzelnen Songs herauskristallisiert, benötigt man mehrere Hördurchgänge. Trotzdem bietet dieses Album neben zu eintönig geratenen Trip Hop-Vibes ("Ghost") und einem kurzen und krachenden, aber kaum zwingenden Indie-Rock-Intermezzo ("World Below") nur hochklassiges Material. Vor allem die zweite Hälfte beweist fulminant, dass es die Briten immer noch verstehen, ihre Musik mit einer dicken klanglichen Nebelschicht zu umhüllen und den Hörer dadurch in einem tranceartigen Zustand zu versetzen.
Die Ballade "Weighed Down" führt mit den dunklen Streichern, entrückten und schleppenden Industrial-Beats und der tiefen Stimme von Faris Badwan in die melancholischen Täler, die schon The Cure auf ihrem frühen Meisterwerk "Pornography" durchschritten haben. Zum Schluss mündet diese Nummer in ein erlösendes Finale. Der Song stellt sich letzten Endes als der schaurig-schöne Höhepunkt auf dieser Platte heraus.
Demgegenüber braucht sich "Gathering" dahinter nicht zu verstecken. Mit den luftigen Ausflügen an der Akustikgitarre und dem psychedelischen und dramatischen Keyboardspiel dringt die Band in die himmlischen Sphären von Radiohead und The Verve vor. Die progressiven Ansätze in diesem Song erweitern das Klangbild des Quintetts um zusätzliche mitreißende Facetten.
"Something To Remember Me By" zielt mit seinen EDM-Synthies dagegen auf den Dancefloor. Durch seine treibende Krautrock-Rhythmik und dem euphorische Refrain kann man sich der sogartigen Wirkung dieser Nummer nur schwer entziehen. Vom Aufbau her erinnert das an das grandiose "Sea Within A Sea" auf ihrer besten Scheibe "Primary Colours".
Darüber hinaus weiß "Press Enter To Exit" mit seinen Madchester-Anleihen à la Primal Scream und Happy Mondays ebenso zu begeistern. Am Ende nimmt man noisige Gitarrenfeedbacks, die jegliche ausgelassene Partystimmung im Keim ersticken, wahr. Viel zu lachen gibt es bei The Horrors nach wie vor nicht.
Auf die äußerst spannende Mixtur aus Psychedelik, Shoegaze und New Wave und dem abgründigen Charme von The Horrors braucht man auf "V" also nicht zu verzichten. Die Band vermag es seit jeher, catchy Hooks mit sehr viel Atmosphäre zu verbinden. Nur spielen die Maschinen eine tragendere Rolle als sonst.
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