laut.de-Kritik
Souverän - wie vor einem Vierteljahrhundert.
Review von Franz Mauerer"Beauty In Broken" heißt das Comebackalbum von The Jeremy Days, die mit einigem Fug und Recht behaupten können, eine der allerersten deutschen Bands im MTV-Zirkus Ende der 80er gewesen zu sein. Danach ging es für die Mannen um Dirk Darmstaedter nicht mehr so richtig durch die Decke, 1996 folgte konsequenterweise die Auflösung.
Sänger Darmstaedter betreibt das zumindest aus künstlerischer Sicht seit vielen Jahren interessante und erfolgreiche Label Tapete Records, wofür er alleine wegen 1000 Robota zahlreiche Danksagungen verdient. Co-Bandleader Christoph M. Kaiser ist ein beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk vielbeschäftigter Filmkomponist, Keyboarder Louis C. Oberlander Hollywood-Schauspieler. Schlagzeuger Stefan Rager fand im Theater ein Auskommen, während Gitarrist Jörn Heilbut die Hamburger Hafenklang-Studios übernahm und einige schlechte deutsche Pop-Alben produzierte.
Die J'Days erwiesen sich jedenfalls als formidables Karriere-Sprungbrett, was sie ihm Nachhinein umso interessanter wirken lässt. Schon seit 2019 gab es wieder Livekonzerte der Hamburger, ein Comeback deutete sich mehr als nur an. Kaiser nahm allerdings den Hut, ihn ersetzte Stephan Gade. Und so wenig überraschend wie das Comeback als solches fällt auch "Beauty In Broken" musikalisch aus.
Ein My moderner gibt sich der Gitarrenpop der altgedienten Herrschaften, ansonsten herrscht Traditionspflege im Hause Jeremy. Man könnte es auch Stillstand nennen, gerade, weil die beteiligten Musiker doch auf so unterschiedliche Art und Weise bewiesen haben, wie sie die Unwägbarkeiten des Künstlerdaseins bewältigten. Mit all dieser Lebenserfahrung wie vor 25 Jahren zu klingen - beziehungsweise wie alte Männer, die Musik von vor 25 Jahren spielen - das ist fast schon bedrückend.
Der Fanservice hat zwar seine Daseinsberechtigung, aber auch Tücken: Identisch wie damals zu klingen, stößt einem die Messlatte vergangener Werke nur umso unvermittelter vor die Stirn. Denn "Beauty In Broken" hält mit "Speakeasy" oder "Circushead" nicht mit. "Stupid November", "Blue New Year", "Lassos Of Love" und "Behind The Sky" und jeder andere Song des Albums erschienen in ihrer Schlichtheit in den vergangenen 25 Jahren 25.000 Mal in verschiedensten Collegeradios und Schülerbandkellern.
The Jeremy Days strahlen dabei durchaus Souveränität aus, handwerklich ist das alles völlig okay, und stellenweise hauchen sie den Songs einen gewissen Spirit ein. Dennoch sorgt dies für zu geringe Abweichungen von der Indie-Skala der Verwechselbarkeit. "Beauty In Broken" fehlt es an allen nicht vorhandenen Ecken an Distinktion und Reibungsfläche. Die Platte ist ein Alterswerk, dessen Notwendigkeit sich nicht erschließt.
Das muss es für die Fans auch gar nicht und ist völlig legitim: Denn für einen Trip auf der Memory Lane des deutschen Schulenglisch, das Darmstaedter in seinen knöcheltiefseichten Texten trotz Muttersprachlichkeit nach wie vor bemerkenswert beherrscht, in die wohligen Zeiten, in denen man The Jeremy Days hörte, wenn einem Grunge gerade zu doof war, eignet sich "Beauty In Broken" allemal.
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