laut.de-Kritik
Berauschende Mixtur diverser Einflüsse.
Review von Toni HennigThe Mystery Of The Bulgarian Voices, ehemals Le Mystère Des Voix Bulgares, zählte schon zur "Weltmusik", bevor sich dieser Begriff Ende der 80er-Jahre etablierte. Zu dieser Zeit erlangte der Frauenchor über die Grenzen Osteuropas hinaus Bekanntheit. Für "Le Mystère Des Voix Bulgares (Volume 2)" von 1987 erhielt er sogar einen Grammy als beste traditionelle Folk-Aufnahme. Mit Langzeitproduzent Marcel Cellier entstanden im Anschluss noch weitere Werke. Jener setzte sich jedoch vor der Jahrtausendwende zur Ruhe. Danach hörte man vom Ensemble nicht mehr viel. Nun feiert es mit "BooCheeMish" ein überraschendes Comeback. Zusätzlich beteiligt sich Lisa Gerrard an dieser Scheibe.
Der Ursprung der meisten Songs auf dem Album liegt in klassischen folkloristischen Liedern und Tänzen. Diese arrangierte Petar Dundakov, der ebenso hinter den Reglern saß, so um, dass sie in einem modernen Gewand erstrahlen. Daher durchziehen die Platte einerseits fröhliche ("Rano Ranila", "Shandai Ya") und andererseits melancholische Momente ("Sluntse", "Zableyalo Agne"), die nahezu die gesamte Gesangstradition Bulgariens widerspiegeln. Überdies kommen an vielen Stellen auf dem Werk exotische Instrumente wie Gadulka oder Kaval zum Einsatz, die das Klangbild lebhaft bereichern. Somit mangelt es der Scheibe keineswegs an Abwechslung.
Trotzdem halten die Osteuropäerinnen auf "BooCheeMish" zwischen ausgelassenen Chorpassagen und einzelnen solistischen Ausflügen zumeist an ihrer altbewährten Erfolgsformel fest. Nach wie vor wenden sie in den Stücken eine besondere Kehlkopf-Technik an, die beim Singen eine Menge Atemdruck erfordert. Durch die Überlagerung der einzelnen Stimmen, entsteht ein besonders kraftvoller, heller Klang, der seit jeher als Markenzeichen von The Mystery Of The Bulgarian Voices gilt.
Gerade deswegen erweist sich Lisa Gerrard als eine echte Bereicherung für dieser Platte. Ihre Beiträge, die sie zusammen mit Co-Autor Jules Maxwell und der bulgarischen Sopranistin Gergana Dimitrova für das Album schrieb und komponierte, erinnern sowohl an die ätherischen ("Mani Yanni", "Stanka") als auch die rhythmisch-weltmusikalischen ("Pora Sotunda", "Unison") Komponenten ihrer Hauptband Dead Can Dance. Dazu ergänzt der Chor diese Songs um ein paar traditionelle Zeilen. Demzufolge gehen auf der Scheibe unterschiedliche Kulturen eine berauschende klangliche Symbiose ein.
Außerdem greifen The Mystery Of The Bulgarian Voices auf dem Werk nicht nur auf klassisches Liedgut zurück. Zum Teil handelt es sich auf der Platte um völlig neues Material, das mit Beatboxing ("Rano Ranila") und karibischen Einflüssen ("Tropanitsa") aufwartet. Aus diesem Grunde stellt die Scheibe vor allem für Quereinsteiger eine gute Gelegenheit dar, die verschiedenen musikalischen und gesanglichen Facetten dieses Ensembles, das Georgi Boyadjiev bereits 1952 ins Leben rief, kennenzulernen.
Da Lisa Gerrard die Musik von The Mystery Of The Bulgarian Voices in der Vergangenheit oftmals als künstlerischen Einfluss bezeichnete, dürfte es kaum verwundern, dass "BooCheeMish" das leicht mystische Flair von "Le Mystère des Voix Bulgares (Volume 2)" aufgreift, das wie sämtliche Alben von Dead Can Dance auf 4AD erschien. Demgegenüber haftet den Klängen des osteuropäischen Ensembles mittlerweile nicht mehr der Reiz des Ungewöhnlichen an. Die Magie von früher beschwört der Frauenchor auf der Platte letzten Endes nur vereinzelt herauf. Andererseits bezieht die Scheibe gerade dadurch ihre Faszination, dass sie die ein oder andere Idee beinhaltet, die nicht zwangsläufig der alten, bulgarischen Überlieferung entsprechen muss.
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