laut.de-Kritik

Ist das noch Punkrock?

Review von

"Maybe life is like a ride on the freeway", tönte vor vielen Jahren eine junge, extrem dynamische Punkband aus der so genannten "Second Wave Of Punk". In diesen Zeilen steckt einiges an Wahrheit, wobei sich die philosophische Aussage auf verschiedenste Art interpretieren lässt. Die einen bleiben irgendwann mit ihrer Karre liegen, andere haben auf der linken Spur ständig den Fuß auf dem Gas, wiederum andere dümpeln mit ihrem Multivan im angemessenen Seniorentempo auf der mittleren Spur. Das nunmehr elfte, vollmundig als Offenbarung angekündigte Offspring-Album "Supercharged" lässt sich am einfachsten in die letztgenannte Kategorie einordnen.

Die beinahe 40 Jahre währende Bandkarriere kennzeichnen weder größere Experimente, noch besondere Innovationen aus, was im Punkbereich aber auch absolut nicht negativ sein muss. Die typischen Trademarks wie etwa flottes Riffing oder Sänger Dexter Hollands leicht bis mittelschwer nasale Gesangsstimme fehlen hier ebenso wenig wie das Schielen in Richtung Radiopop. Gleich der Opener "Looking Out For #1" strotzt nur so vor Synthsounds, Handclaps und allerlei artifiziellen Anteilen und tönt überaus gefällig, verschmitzt und beinahe unverschämt catchy aus den Lautsprechern. Was wie ein Lob klingen mag, stellt gleichzeitig das größte Manko des Albums dar. In weiten Teilen fehlt jede Form von Abrieb, Dreck und der ungestümen Kompromisslosigkeit des Punk. Stattdessen polieren The Offspring alles schön glatt wie eine Grammy-Trophäe.

Viele Songs gehen handwerklich auf jeden Fall in die richtige Richtung, wie etwa das angenehm aggressive "Light It Up" oder das leicht 70s-proggig angehauchte "Get Some". Letzteres arbeitet klammheimlich ein wohlbekanntes Kansas-Riff in die Musik ein, was als Gimmick tatsächlich ganz cool ausfällt. Überhaupt steht den alternden Skatern der Blick zurück zum Klang in vergangene Jahrzehnte überraschend gut. "You Can't Get There From Here" schlägt in eine ähnliche Kerbe, nämlich die Schnittstelle zwischen US-Punk à la Bad Religion und leicht psychedelischem Stadionrock. Auf früheren Alben gab es immer die typische Hitsingle ("Pretty Fly (For A White Guy)" oder "Original Prankster"), die den Albumflow unangenehm unterbrach. Auf "Supercharged" zerschießen dafür gewisse Cringe-Momente einzelne Songs.

"Make It All Right" etwa klingt wie der Soundtrack zu "American Pie 19 – Party im Seniorenstift", was hauptsächlich am aufgesetzt jugendlichen Getue und den völlig deplatzierten "Babadas" liegen dürfte. Das eigentlich ganz geile "Come To Brazil" will sich gerne metallisch oder stadionrockig präsentieren, läuft mit dramatischen Chören und fast schon pinkfloydschen Klangspitzen auf und bringt richtig Schwung ins Album. Doch dann ertönen einfach nur beschissen nervige "Olé-Olé-Olé-Olé"-Fußballchöre und die Stimmung ist dahin. Wie schmeckt eigentlich Lack?

"Truth In Fiction" und "Hanging By A Thread" seien dagegen jedem ans Herz gelegt, der die Anfangstage der Band vermisst: Riffs in schwindelerregender Geschwindigkeit, galoppierende Drums, dazu Melodien und klassische Cali-Punk-Akzente genau an den richtigen Ecken. Hymnische Refrains und Orchestertonexperimente setzen das Ausrufezeichen hinter die Aussage "Geht doch!". Auch "The Fall Guy" ist an sich richtig gut, wirkt durch die Aufnahme allerdings schwulstig und lässt sich live ganz bestimmt authentischer vortragen. Die alberne Halbballade "Ok, But This Is The Last Time" nehmen wir beim Wort und belassen es dabei.

So enthält das Album zwar eine Handvoll sehr guter Ansätze, die aber nur selten fertig gedacht wurden. Mit einer gescheiten, fetteren Produktion hätte man vielleicht noch einiges retten können, aber der gute Bob Rock scheint mittlerweile bei Stadionkappellen wie Bon Jovi besser aufgehoben zu sein. Auf "Supercharged" erstickt er jede aufregende Klangnuance im Keim.

Trackliste

  1. 1. Looking Out For #1
  2. 2. Light It Up
  3. 3. The Fall Guy
  4. 4. Make It All Right
  5. 5. Ok, But This Is The Last Time
  6. 6. Truth In Fiction
  7. 7. Come To Brazil
  8. 8. Get Some
  9. 9. Hanging By A Thread
  10. 10. You Can’t Get There From Here

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LAUT.DE-PORTRÄT The Offspring

Mitte der 80er Jahre besucht Bryan Holland, Spitzname Dexter, die Pacifica Highschool in Garden Grove in Kalifornien. Sein festes Ziel ist, Arzt zu werden.

10 Kommentare mit 13 Antworten

  • Vor einem Monat

    Aus meiner Sicht ein gelungenes Comeback und starkes Album! Bis auf "Ok, but this is the last time" und das Ende von "Come to Brazil" keine Ausfälle dabei. Make it alright ist der Klassiker, der auf jedem Offspring-Album dabei ist - und iwie so gar nicht zum Rest passt.
    Aber sonst - wow! "Looking out for #1" ist ein guter Opener, "Light it up" geht richtig ab und "The Fall Guy" mit seinen oh-oh-ooohhhs und dem Tempo so gut, dass ich es immer wieder auf repeat höre. "Truth in fiction" ist mega, "Get some" auch und "hanging by a thread", so, so gut! You can't get there from here macht direkt Bock das Album wieder von vorne anzuhören.
    Ich freue mich auf die Tour! Als langjähriger Offspring-Fan hab ich mich genau auf so ein Album gefreut.

    • Vor einem Monat

      Das Comeback war "Let the bad times roll" nach fast 1o Jahren Pause, und das war um Längen besser, kam hier aber auch zu schlecht weg. Auf dem Supercharged wechseln sich echt starke mit richtig schwachen Songs ab, dazwischen ist kaum etwas. Aber 3/5 ist fair. Mehr auf gar keinen Fall.

  • Vor einem Monat

    find das album auch nicht überragend, aber wenn man mal vergleicht was offspring noch liefern im vergleich zu blink, dann sind sie ja noch fit wie ein turnschuh

    ich würde dem album im gesamten knapp eine 3/5 geben
    unterdurchschnittlich finde ich nicht dass das album ist, weswegen isch eine 2/5 etwas zu hart empfinde

    der opener ist schwach
    aber die 3 folgenden songs durchaus solide und ich finde make it alright auch völlig in ordnung für offspring 2024

    okay this is the last time ist wirklich ein schrecklicher song.. keine ahnung was man sich da gedacht hat. für gewisse menschen sollte das ja self esteem part 2 sein. für mich klingt das als hätten the offspring mark hoppus als ghostwriter engagiert, aus welchen gründen man das auch immer wollen sollte.

    also was soll man sagen, das album plätschert so vor sich hin. vermutlich wäre die richtige bewertung 2,5/5.

    aber welches offspring album hatten wir in den letzten jahren wirklich gebraucht? rise and fall, rage and grace hätte wegen mir auch gern das letzte offspring album sein können

    • Vor einem Monat

      Die Wertung für das Supercharged geht klar, da bin ich bei dir. Aber sowohl das "days go by" und vor Allem das "Let the bad times roll" waren viel besser, als das "rage and grace", welches ich persönlich mit dem Supercharged für das schwächste Album der Band halte.

  • Vor einem Monat

    Ich weiß, eine Kritik zu solch' einem Album schreiben zu müssen/dürfen ist sicherlich nicht einfach – zumindest zwiegespalten.

    Gut, der Herr Eggert gibt dem Ganzen nur 2 Sterne.

    Aber, über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten.
    Das empfindet jeder Hörer anders. Und das ist auch gut so.
    Denn ich, als Anfang 50er und langjähriger Musikfan im gesamten Bereich Rock, Metal, Punk-Rock, Grunge, alles quer Beet, empfinde es als Wohltat, dass Musiker, die schon "ewig" in dem Business sind, sich wieder neu erfinden und ... jetzt kommt's ... mit sage und schreibe Sechzig (60!!) Jahren noch so einen Sound raushauen. Da kann ich nur sagen: Hut ab!

    Und natürlich nimmt man Ihnen den Sound (siehe Hinweis auf "American Pie") heute nicht mehr ab, wenn man die Zeit mit solchen Filmen selbst durchlebt hat, aber ich finde gerade DAS echt genial.
    Die klingen teilweise wie 25-jährige, die gerade ins große Musikbusiness einsteigen bzw. aufsteigen wollen. Mach' das erstmal nach – wohl gemerkt mit über 60!!

    Und ich glaube kaum, dass sich die Herren extrem ernst nehmen und nur noch Musik ihres Alters entsprechend machen wollen. Nein, die wollen einfach nochmal einen raushauen ... und Spaß haben. :)

    Und ich finde, das ist Ihnen mit dieser Scheibe sehr gut gelungen. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass da nochmal sowas kommt.

    Einfach mal wirken lassen ...

    • Vor einem Monat

      DAS finde ich so genial an The Offspring.

    • Vor einem Monat

      Damit gehe ich d'accord. ABER The Offspring haben leider in den letzten 25 Jahren auf ihren Alben immer ein zwei Nummern drauf, wo man sich denkt "WTF?" Und hier sind es noch ein paar mehr: Looking Out For #1; Make It All Right; Ok, But This Is The Last Time; You Can’t Get There From Here sind allesamt mies bis unterirdisch. Wirklich schlimm, und deswegen auch maximal 3/5, da die übrigen Songs doch fast durchweg stark sind. Gut, bei Come to Brazil hätte man sich den albernen OleOle-Part wirklich sparen können, sonst bester Song des Albums, dicht gefolgt von Hanging by a thread, Light it up und The Fall Guy.

  • Vor einem Monat

    Dieser Kommentar wurde vor einem Monat durch den Autor entfernt.

  • Vor einem Monat

    gespaltene Meinung zu dem Album.
    Es ist ein gutes Produkt - aber ist zu kurz, es wirkt halbfertig. Es sind viele solide/okaye Songs drauf, wenige Banger/also Songs die man gezielt anspielen würde...

    Es ist halt da jetzt.

    Ich finde es gut, dass sie nicht das Alt-Bekannte - immer und immer wieder - wiederkäuen und auch neue Dinge ausprobieren.

    Es erweitert das Portfolio um den ein- oder anderen Song, für Playlists/Setlists - aber als Album - weiss nicht....
    Aber 2 Sterne sind frech, es ist ja nicht schlecht - es fehlt halt nur einiges ...

  • Vor einem Monat

    Wer musste beim Anblick des Covers auch an "Ride the Lightning" denken?