laut.de-Kritik
Aus einem Folk-Rock Klassiker wird ein hypnotischer Dancefloor-Hit!
Review von Jasmin Lütz"We took a wee jewel from the Stones' jewellery box and gave it some new sparkle" - (The Soup Dragons 2001 im Guardian).
Diese besondere Mischung aus Crossover, Pop und Tanzvergnügen ist kein ungewöhnlicher Sound für die Gitarrenbands, die Ende der 1980er wie psychedelische Pilze aus dem britischen Boden sprießen. Manchester wird in dieser Zeit zu Madchester und erlebt mit Bands wie Happy Mondays, Primal Scream, oder The Stone Roses eine neue Rave-Bewegung. Independent vermischt sich mit elektronischen Beats und Psychedelica. Die euphorischen Loops sind nicht mehr aufzuhalten. Nach der New Order-Smiths-Ära und vor der anstehenden Britpop-Welle toben sich nun erst mal alle auf diesem irren, teilweise düster-klingenden Gitarren-Floor aus.
Auch in Schottland gibt es diese musikalische Bewegung. Sänger und Gitarrist Sean Dickson gründet 1985 The Soup Dragons, und aus ihrem Debüt "This Is Our Art" platzierten sich bereits 1988 zwei Songs in den UK-Charts. Doch erst die zweite Platte "Lovegod" erhöhte die Aufmerksamkeit auf den Sound der Schotten, und die Coverversion "I'm Free" landete schließlich auf Platz 5 der britischen Charts. Der Song stammt ursprünglich von den Rolling Stones und erschien als B-Seite 1965 auf deren Album Out Of Our Heads. Doch The Soup Dragons spielen den Song besser als das Original oder auch einfach kraftvoller mit all seinen Widersprüchen. Aus einem Folk-Rock-Klassiker wird ein hypnotischer Dancefloor-Hit.
"I'm Free" gilt als Schmuckstück der Platte und wurde erst später auf einer Wiederauflage von "Lovegod" veröffentlicht. Der jamaikanische Reggae-Musiker Junior Reid (ehemals Black Uhuru) featuret mit seinen Vocals den Song, er wurde vom Label Big Life engagiert. Zusätzlich wird der Refrain "I'm free to do what I want any old time" mit einem Gospel-Chor getoppt und zur Hymne der 1990er erkoren.
Eine zeitgemäße Tanz-Hymne, die für immer im Ohr kleben bleibt. Ebenso fabelhaft die Wah-Wah-Gitarre von Jim Mcculloch. Das Budget ist klein, aber die Vision von Sean ist groß. Die 30 Mitglieder des London Community Gospel Chor sorgen für das effektive und klangvolle Gospel-Feeling.
Der englische Musiker, Tontechniker und Plattenproduzent George Shilling sorgt für die nötige Technik und unterstützt die Band bei Loops und besonderen Soundkreationen. Er hat bereits mit zahlreichen Bands gearbeitet, u.a. Teenage Fanclub, Primal Scream, Blur oder The Fall.
Die Zeiten werden rauer, um so mehr sorgt die Musik für einen emotionalen Austausch und notwendigen Zusammenhalt. Dazu muss man sich nicht unbedingt den Kopf mit Drogen zuknallen, aber die Texte sind mit Sicherheit bewusstseinserweiternd von Sänger Sean geschrieben. Die House-getriebenen Rhythmen des Titeltracks "Lovegod" verführen zu einer hypnotischen Ecstasy-Reise ("Dream E-Forever"). "Wasn't it she who gave me affection. Changed my way and made me see the light. And didn't it come with Jesus of vengeance. Call me God and you'll be alright."
Textlich wirkt das manchmal vielleicht doch etwas zugedröhnt, aber die eingängigen Melodien, elektrisierenden Gitarren, der harmonisch-rotzige Gesang und die Punk-Attitüde tragen sie noch aus ihrem Vorgängeralbum in sich. Nicht umsonst wurden sie auch mit Buzzcocks verglichen, die bekannt sind für ihre melodischen Punk-Sound. Diese Mischung und der spezielle Loop-Sound strahlen eine anhaltende Faszination aus. "Mother Universe" ist eine weitere Song-Pille der schottischen Band. Anfang der 1990er lässt der Neo-Hippie-Style die 1960er wieder aufblühen. Songs klingen emotionaler, die Message oft düster: "I'll never find what's it's worth in the universe".
Befreundet und inspiriert von Bands wie BMX Bandits bereichern die Soup Dragons live die Bühne mit ihren punkigen Zwei-Minuten-Songs, rockigen Rhythmen und experimentellen Dance-Crossover ("Love You To Death"). "Lovegod" zählt zu den wichtigsten Platten der Rave-Bewegung. 15 Wochen lang hält sich der Smasher in den UK-Charts. Die Liebe zu harmonischen Popmelodien zieht sich durch das komplette Album. Percussion und Loops werden mit einem Atari-Computer programmiert. Das ist die ganz spezielle Methodik vom bereits erwähnten Tontechniker George Shilling. Getragen von derben Gitarrenriffs und einer modernen Art von Tanzmusik ("Drive The Pain"). Die Band harmoniert in ihrem Zusammenspiel und lässt gefühlt den Sommer niemals enden.
"Lovegod" ist diese Platte, die für gute Laune sorgt und die sich auch noch Jahre später als zeitloses Klangerlebnis entpuppt. Der Sound der Band ist gut tanzbar, und selbst die Covergestaltung für die damalige Zeit herausragend. Die breite Mischung zieht sich bis zum großen Finale hin. "Beauty Freak" beendet diesen Meilenstein aus den 1990ern. Und auch hier rasten alle Instrumente noch einmal aus. Der Gegensatz ist das Ziel, und das klappt ja oft nicht so ganz im Leben, aber bei "Lovegod" ist es eine gelungene Leidenschaft und eingängige Symbiose.
In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.
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