laut.de-Kritik
Pop und pseudo-aggressive Teenage Angst.
Review von Thomas KlausEinst als Nirvana-Coverband angetreten, können sich die Vines von den Geistern, die sie als juvenile Verweigerer gerufen haben, auch mit ihrem neuen Album nicht endgültig befreien. Nach ihrer rebellischen Sturm und Drang-Phase führen die vier Australier auf ihrer inzwischen vierten Platte "Melodia" den Weg des Vorgängers "Vision Valley" fort und schlagen vermehrt ruhigere Töne an.
Wie es der Titel "Melodia" will, kommen The Vines nicht durch die musikalische Hintertür sondern setzten voll und ganz auf eingängige (Pop-)Melodien, die zum Mitsummen einladen. Ihr Kalkül, den Hörer mit diesen vierzehn griffigen Songs sofort zu packen, geht zunächst auf. Sie laufen jedoch Gefahr, dass die Platte aufgrund jener fast schon aufdringlichen Catchyness schnell an Reiz verliert.
Die Vines haben aber außer dem altbekannten wie ausgelutschten laut-leise-laut Standardschema, von dem selbst Kurt Cobain im Verlauf seiner kurzen Karriere schnell gelangweilt war, noch viel mehr zu bieten.
Bei den Arrangements halten sie nun häufiger ihre Zügel im Zaum und überlassen der Melodie die Vorfahrt gegenüber der bratzigen Vollzerre. Sänger und Gitarrist Craig Nichols, macht öfters mal einen Bogen um sein Distortion-Pedal und wagt sich bei "A.S. III", "Kara Jayne" und "A Girl I Knew" erneut an Beatles-durchtränkten Indie Pop, der augenblicklich die Stimmung aufzuhellen vermag. Dabei stehen ihm die Beach Boys-Harmonien im Background viel besser zu Gesicht als das zornige Geschrei – die Leiden des jungen Werthers mag man ihm einfach nicht abnehmen.
Werden die scheinbar ewig jungen Wilden Australier etwa altersweise? Der beschwingte Ohrwurm "Orange Amber" ruft unweigerlich Erinnerungen an die Raconteurs hervor. Mit seiner reduzierten, erdigen Instrumentierung und der markanten Gesangslinie wäre dieser starke Song auch für deren Debüt "Broken Boy Soldiers" eine Bereicherung gewesen. Ähnlich wie ihre Landsmänner von Silverchair bauen die Vines zum Beweis ihrer neu erlangten Reife verstärkt auf den opulenten Effekt von Streichern und zeigen bei der Ballade "True As The Night", dass ihr Atem auch mal bis zur sechs Minuten-Grenze reicht.
Über die recht kompakt geratene Gesamtspielzeit von 32 Minuten betrachtet, können sie sich auf "Melodia" aber leider noch zu selten aus dem abgestandenen Fahrwasser von Nirvana freischwimmen. Beim Opener "Get Out" lärmen sie mit kratzbürstigen Breitwandgitarren in altbekannter drei-Akkorde Manier straight los und halten sich gar nicht erst mit dem Versuch auf, den Ballast an aufdringlichen Reminiszenzen über Bord zu werfen. Am offensichtlichsten wird die Grunge-Legende auf "Braindead" zitiert: Nichols gibt hier wieder den Cobain-Klon, indem er dessen charakteristischen Gesangsstil intoniert. Den gelangweilt, abgehangenen Gestus in den ruhigen Strophen kontrastiert er dabei mit pseudo-aggressiver Teenage Angst, die er im Refrain zur Begleitung von verzerrten Gitarren hinausschreit.
Trotz vielversprechender Ansätze haben die Vines auf "Melodia" abermals kein musikalisches Neuland betreten. Ihren Fans kann das egal sein, denn sie bekommen das volle Programm.
5 Kommentare
Deren Zeit ist schon lange vorbei.
sagt jemand mit "libertine" im nick
@Alex (« sagt jemand mit "libertine" im nick »):
hahahahhaha
haben mir von album zu album weniger gefallen
Was ist eigentlich mit dem aktuellen Album, Future Primitive? Das ist ja jetzt auch schon locker ein halbes Jahr draußen und bis jetzt sehe ich hier noch nichts dazu. Liegt das daran, dass es hier in Deutschland nicht rausgekommen ist (?), oder zumindest nicht wirklich promotet wurde? Zwar ist die Scheibe lange nicht so gut wie Highly Evolved oder Melodia, einfach weil die Lieder kaum Zeit haben, sich zu entwickeln, aber auch sie hat ihre starken Tracks.