laut.de-Kritik
Intime Neuinterpretationen verschiedener Weihnachtsklassiker.
Review von Toni HennigWeihnachten wurde im letzten Jahr aufgrund der Corona-Pandemie für viele Menschen ein recht einsames Fest. Das dürfte sich in diesem Jahr ändern. Daher lässt es sich der Trompeter Till Brönner nicht nehmen, mit "Christmas" sein zweites Weihnachtsalbum zu veröffentlichen. Aufgrund der besonderen, Corona-bedingten Umstände hat er sich dieses Mal jedoch "ganz bewusst gegen ein Werk mit bombastisch-überladenen Coverversionen für rauschende Feste entschieden", erzählt er. Stattdessen versucht er "mit einem kleinen Ensemble eine besondere, eine nahezu intime weihnachtliche Stimmung zu erzeugen", wagt aber auch den Spagat zwischen Anspruch und Eingängigkeit. Der gelingt ihm nicht immer.
Letzten Endes nähern sich Till Brönner sowie Pianist Frank Chastenier und Bassist Christian von Kaphengst Songs aus unterschiedlichen Jahrzehnten und Genres wie "Jesus To A Child", "Ich Steh An Deiner Krippen Hier" oder "Jingle Bells" auf unterschiedlichste Weise an. Bei manchen Neuinterpretationen erkennt man das Ausgangsmaterial gar nicht mehr wieder. Bei anderen nimmt sich der Trompeter ein bestimmtes melodisches Motiv des Originals, um daraus etwas völlig Eigenes zu machen. Und dann gibt es noch ein paar Fingerübungen, die man auch im Schlaf hätte einspielen können.
Jedenfalls hätte es die gefühlt zehntausendste Version von "Jingle Bells", "O Tannenbaum" oder "Silver Bells" nicht unbedingt gebraucht, zumal Brönner dem Ausgangsmaterial nichts sonderlich Essentielles hinzufügt. Zumindest warten die beiden letztgenannten Neueinspielungen mit einfallsreichen Soli Chasteniers auf, so dass man nicht versehentlich in einem tiefen Winterschlaf verfällt. Auch die von Max Mutzkes besänftigender Stimme durchzogene Coverversion von "Christmas Time Is Here", das in den USA "zu Zeiten der Bürgerrechtsbewegung" in den mittleren 60er-Jahren "entstand", wie uns der Trompeter wissen lässt, erweist sich als recht überflüssig, gleicht sie doch einer vertonten Wohlfühloase.
Einfallsreicher fällt die Neuinterpretation von "Stille Nacht" aus. Zu Beginn erklingt ein nachdenkliches Klavier-Motiv, dem sich eine feinfühlige Trompetenpassage anschließt. Dabei klingt die Melodie des Originals oftmals nur an. Gegen Mitte leitet Brönner mit zitternden Tönen in eine verspieltere Phase über. Danach begegnet man wieder kurz der Melodie des Originals. Am Ende wiederholen Brönner und Chastenier das Ausgangsmotiv, so dass sich der Kreis schließt.
Weniger verspielt, aber genauso feinfühlig gerät die Coverversion des von Heino Gaze komponierten und getexteten Wiegenliedes "La-Le-Lu (Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu)". Dem Stück verleiht Brönner mit gedämpften Tönen eine gewisse zeitlose Eleganz, ohne den originären Charme zu verfälschen.
Zeitlosigkeit vermittelt ebenso die Neuinterpretation von "It's Beginning To Look A Lot Like Christmas", die mit tänzerischen Melodien am Klavier und an der gedämpften Trompete sowie federndem Bass klassischer kaum sein könnte. Etwas modernere Klänge stehen in der Coverversion von George Michaels "Jesus To A Child" auf dem Programm, wenn Brönner zu dramatischen Klavierschlägen seiner melancholisch lyrischen Seite freien Lauf lässt. Auch "Maria Durch Ein Dornwald Ging" nähert er sich auf intuitive Art und Weise an, wodurch das Stück losgelöst vom Original für sich selbst steht.
Mit "Christmas" verlässt der Trompeter das Gefällige immer weider mal zugunsten künstlerischer Ansätze, steht sich jedoch für ein durchgängig überzeugendes Jazz-Album zu sehr selbst im Weg.
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