laut.de-Kritik
Die Feature-Orgie geht nach hinten los.
Review von David MaurerDen Weg, den Tinie Tempah nach seinem UK-Megaerfolg "Disc-Overy" eingeschlagen hat, beschreibt der beiliegende Pressetext zum neuen Album nur zu gut: "Er schrieb ein Buch, designte Klamotten, lernte die Famile der Queen kennen", sein Gesicht auf den Covern von Times, GQ und was sonst noch alles dazugehört.
Nein, der Londoner ist längst kein Grime-Rapper aus dem Untergrund mehr. Stattdessen "Bestgekleideter Mann des Jahres", ein absoluter Popstar - zumindest in Großbritannien. An seinem Status wird sich auch mit seiner neuen Platte "Demonstration" nichts ändern.
"Someday you will find your place in the sun", trällert der erste Feature-Gast Ella Eyre. Seinen Platz in der Sonne hat Tinie längst gefunden, "thanks to the spectacular raps that I'm scribbling". Keine Frage, "Someday" ist der passende Opener, der allen, die es nicht mitbekommen haben, noch mal den steilen Aufstieg des Rappers vor Augen führt.
Früher Mietwohnung mit Mama, jetzt eigene Villa, ausverkaufte Stadien und jede Menge Neider - inhaltlich genau das, was schon hunderte andere, die der plötzliche Erfolg ereilte, zu erzählen hatten.
Überhaupt wird Tinie nicht müde, mit gesundem Selbstbewusstsein davon zu erzählen, was er erreicht hat, wie "Trampoline" beweist. "Got my own book in my library", dann natürlich die selbstentworfenen Nikes und der obligatorische "white Ferrari Spider". 2 Chainz, offensichtlich Bruder im Geiste, steigt gleich mit ins fröhliche Rumgeprotze ein: "So much money in my pocket my pants might be sagging".
Vor allem aber nervt das ständige "shake, shake, shake" und "jump, jump, jump"-Geballer. Klar, Trampolin und so, die 'Message' kommt an. Ohnehin liefert Tinie Tempah nicht gerade ein lyrisches Meisterwerk ab. Frauen, Autos, Klamotten, Platinauszeichnungen, "sparklers in my Moet" - Lied für Lied dieselben Klischees. Neben den meist gleichen und ermüdenden Inhalten fliegen dem Hörer außerdem teils arg flache Wortspiele und Vergleiche entgegen.
Mit Zeilen wie "Welcomed with open arms like the statue in Brazil" reiht sich "Looking Down The Barrel" in die Reihe plumper Vergleiche ein, die schon das Debütalbum des Londoners durchzogen haben. Und auch "do a Willow and Jaden and use my Will power" wirkt doch sehr gezwungen um die Ecke gedacht. Zeilen wie diese machen eine genauso unglückliche Figur wie jener Will Smith in "After Earth".
Trotzdem, rappen kann Tinie Tempah, wenn auch nicht außergewöhnlich. Mit markanter Stimme flowt er solide über Beats von Diplo oder Chase & Status und weiß in seinen Parts durchaus zu überzeugen, wenn man eben nicht allzu genau hinhört. Zumal es in den meist krachenden Party-Tracks wie "Mosh Pit", "Trampoline" oder "Shape" auch weniger um lyrische Finesse geht.
Auch das Soundgerüst stimmt zunächst: fette Beats mit reichlich Electrosound und - wenn auch überstrapazierten, aber passenden - Dubstep-Einlagen. Besonders Chase & Status liefern für "Mosh Pit" einen fulminanten Beat, der selbst andere gute Produktionen der Platte gnadenlos niedermetzelt. Wenn sich dann auch noch Dizzee Rascal in Höchstform präsentiert und mal eben durch seinen Part flext wie zu seinen besten Zeiten, entsteht eine der stärksten Nummern des Albums.
So gut funktionieren die Features sonst aber nur selten. Und das ist das größte Manko von "Demonstration". Gerade einmal zwei von 14 - mit Hiddentrack 15 - Stücken kommen ohne Gastauftritt aus. Im Opener "Someday" fügt sich der Gesang noch gut ein, auch in "It's Ok" passt Labrinths gesungene Hook schon deshalb, weil Tinie hier in einer ruhigeren Nummer der Verflossenen nachtrauert: "I truly know it's over when I hear you say / It’s OK."
Spätestens John Martin, bekannt für seine Zusammenarbeit mit der Swedish House Mafia, verhagelt dann aber in "Children Of The Sun" einen eigentlich guten Track mit seiner Großraumdisco-Hook. Labrinth zum Zweiten setzt in "Lover Not A Fighter" nochmal einen drauf, den Kitschfaktor reizt dann aber Emeli Sandé in "A Heart Can Save The World" endgültig aus.
Die letzten fünf Nummern der Platte laufen dann fast immer nach demselben Schema ab: Die sonst ordentlichen Stücke werden von extrem schmalzigen Hooks erdrückt, die teilweise die komplette erste Minute des Songs in Anspruch nehmen. So fragt man sich schon fast, wessen Album hier überhaupt läuft, bis der Hauptdarsteller endlich mal zu seinen Parts ansetzt.
"Demonstration" legt gut los und beweist wie schon der Vorgänger stellenweise großes Hitpotenzial, verkommt aber zu einer wahren Feature-Orgie, die nach hinten losgeht. Die vielen Gastauftritte sollten ursprünglich vielleicht für Abwechslung sorgen. Letztendlich bewirken sie aber, dass Tinie Tempah sein eigenes Album aus den Händen gleitet, das eigentlich wesentlich besser hätte ausfallen können.
2 Kommentare
Wack as fuck.
Best tracks on the album:
mosh pit...
bei tinie, chase & status, labrinth und dizzee kann ja fast nichts schief gehen,
looking down the Barrel...
die hook ist so schlecht gesungen, dass sie einfach wieder extrem geil ist
und
Heroes...
erinnert mich etwas an einen James Bond-theme song
kommt aber leider nicht an das erste Album ran