laut.de-Kritik

Das "Krieg Und Frieden" des Prog!?

Review von

Von Neal Morses christlichem Glauben einmal abgesehen machte der Ex-Spock's Beard-Mastermind in den letzten Jahren mit einer kontinuierlichen Veröffentlichungspolitik auf sich aufmerksam. Nach Meinung vieler Kritiker schipperte er damit gefährlich nahe am Rande der Redundanz entlang. Hinter den intellektuellen und konzeptuellen Ansätzen sahen die Meckerer eine Wiederholung des immergleichen Materials.

Nun setzt Kapitän Morse erneut die Segel und firmiert diesmal nach siebenjähriger "gottgegebener" Pause wieder unter der Transatlantic-Flagge, um mit "The Whirlwind" das "epischste aller Epen" auf die Welt loszulassen. Mit an Bord: Die Feeling-Gitarre und Storyteller-Vocals von Roine Stolt (Flower Kings), der filigrane Rockbass von Pete Trewavas (Marillion) und das akzentuierte, virtuose Drumming von Mike Portnoy (Dream Theater). Zusammen bilden die Ausnahmemusiker das beste Line-Up um Morse seit dessen seligen Spock's Beard-Zeiten.

"The Whirlwind" reiht sich in die Riege der Konzeptsongs à la "A Pleasant Shade Of Grey" (Fates Warning), "Six Degrees of Inner Turbulence" (Dream Theater) und "The Incident" (Porcupine Tree) ein. Die Wahl des Wirbelwindes als profane Metapher für Schicksal und Chaos schwächt Morses Hang zu Bibel-Exegese und christlicher Heilsmetaphorik ein wenig ab.

Einem klassischen Ansatz folgend gleicht die Ouvertüre einem Parforceritt durch sämtliche emotionale Facetten, beginnend mit Dopamin-befeuerten Freudensphären bis hin zum Abgleiten in depressive Abgründe. Zusammenhalt garantiert die Reprise, die die relevanten Themen wieder aufgreift.

Dazwischen erklingt ausnahmslos Musik, die alle Prog-Herzen höher schlagen lassen dürfte: Impro-Teile mit Jam-Charakter im Call-And-Response Stil, 70er Prog, klassisch-romantische-Einsprengsel, verschachtelte Rhythmik, Slapstick-Klangkaskaden und himmelhochjauchzende Refrains mit wohltemperierten Satzgesängen. Dabei überrascht die Band immer wieder. Das auf einem funky Disco-Part aufbauende "Out Of The Night" oder die Quincy Jones-Verbeugung "Set Us Free" beweisen dies ausdrücklich.

Highlights gibt es einige. zum einen die an "The Wall" erinnernde, mystische Hymne "Is It Really Happening?". Der Song erinnert an Steve Wilson-artige Klangschichtungen und besticht mit Tempoverschärfungen über ein zyklisches Synthie-Motiv, das schwindelerregende Höhen erreicht.

Auch cool: Die Kashmir-Orientalistik und Gunners-Vocals im wuchtigen, polymetrischen "Lay Down Your Life" und die bombastischen Seelenstreichler "Rose Coloured Glasses" und "Dancing With Eternal Glory", die ausnahmslos Jahrhundert-Melodien zelebrieren.

Auch wenn die Songstrukturen und die aufgeteilte Tracklist Fasslichkeit suggerieren: Dieses Werk muss man sich erschließen. Neals vollmundige Ankündigung "The Whirlwind" sei "das Krieg und Frieden des Prog", steht freilich zur Debatte.

Trackliste

  1. 1. Overture/ Whirlwind
  2. 2. The Wind Blew Them All Away
  3. 3. On The Prowl
  4. 4. A Man Can Feel
  5. 5. Out Of The Night
  6. 6. Rose Colored Glasses
  7. 7. Evermore
  8. 8. Set Us Free
  9. 9. Lay Down Your Life
  10. 10. Pieces Of Heaven
  11. 11. Is It Really Happening
  12. 12. Dancing With Eternal Glory/ Whirlwind (Reprise)

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Transatlantic

"Mike Portnoy überrannte mich mit der Idee, eine gemeinsame Band mit Jim Matheos von Fates Warning zu gründen. Ich war Feuer und Flamme. Jim hingegen …

6 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    Naja die letzten Werke von Neal Morse als am Rande der Redundanz zu betiteln ist ja wohl lächerlich.One und Sola Scriptura sind absolut geniale Scheiben. Natürlich klingt Transatlantic nach Spocks Beard und die Solo Sachen klingen auch ähnlich. Und das ist auch gut so! Neal Morse ist ein Meister des Songwriting. Die Whrilwind-Scheibe hat bei mir aber noch nicht ganz gezündet- braucht wohl noch ein paar Durchläufe.

  • Vor 15 Jahren

    Hab mir erstmal die SMPTe besorgt. Sollte diese meinem Gusto entsprechen, können natürlich weitere folgen. Review klingt vielversprechend.

    Yan Vogel mit seinem breiten Musikfeld unbdeingt halten!

    Aber es heißt Steven Wilson. ;)

  • Vor 15 Jahren

    komisch dass so viele leute den alten 70ies prog nicht abkönnen, aber bei einer band wie transatlantic die dasselbe und glattgebügelt macht, in jubelstürme ausbrechen.

    die band ansich ist schon ok, ein paar ganz hübsche melodien und fingerübungen, aber nichts was hängen bleiben würde. so ist das aber für mich mit jeder beand aus dem retro prog bereich. außer vielleicht beardfish, wobei die mir fast zu eigenständig für dieses genre sind.

  • Vor 15 Jahren

    also ich mag prog sachen,
    bin schon ganz aufgeregt, gute kritik, die hat mir den mund wässrig gemacht.

  • Vor 15 Jahren

    ach was geht denn hier. Ein "Review" von Transatlantic auf laut.de. Prog/Pop-70s-Jazz-Fusion - keine Musik für nebenbei. Nun nichts überraschendes gab es so in der Form ja schon lange: Yes, Camel und Co.

  • Vor 15 Jahren

    Naja, Review passt hier schon hin. Die Platte ist doch geradezu ein Paradebeispiel für "Mainstream-Prog" (nicht falsch verstehen, ich mag die).

    Tim