laut.de-Kritik
Schweißnasse Hände sind garantiert.
Review von Manuel BergerTrent Reznors Ruhm reicht längst über die Musikwelt hinaus. Preisgekrönte Scores zu "The Girl With The Dragon Tattoo" und "The Social Network" verschafften dem Nine Inch Nails-Mastermind auch gehörig Anerkennung in Hollywood. Sein neuester Streich läuft seit Oktober in den deutschen Kinos: Für David Finchers "Gone Girl" schuf er – erneut im Verbund mit Atticus Ross – eine Klangkulisse, die einen beträchtlichen Teil zur verstörenden Atmosphäre des Films beiträgt.
Ehrlich gesagt, lieferte Reznors Beitrag für mich die Hauptmotivation, Gillian Flynns Roman zu verschlingen und ins nächste Kino zu rennen. Die Erwartungen waren angesichts euphorischer Kritiken immens. Ja, der Soundtrack erzeugt dauerhaft bedrohliche Stimmung und sorgt dank pointierter Eruptionen für Momente wahren Horrors. Ihre Stärken transportiert die Musik auch ohne Bilder. Leider aber auch ihre Schwächen.
Das audiovisuelle Erlebnis "Gone Girl" profitiert vom mehrheitlich zurückhaltenden Charakter der dargebotenen Elektronikflächen (ein Titel nennt sich nicht grundlos "Background Noise"). Doch Spannung weicht ohne den optischen Teil zu häufig Langeweile. Mit Disharmonie gespicktes Geplätscher eröffnet und prägt die knapp 90-minütige Albtraumvision. Es folgt die perfekte Untermalung nächtlicher depressiver Anfälle. Aufregend geht aber anders.
Zum Glück haucht "With Suspicion" der Eintönigkeit Leben ein. Ein sich steigernder Noise-Overkill zerrt gewaltsam an den müden Lidern. In wieder wachem Zustand fällt es dann leichter dem wogenden Mysterymeer seine Aufmerksamkeit zu schenken. Begierig hofft man auf den nächsten Ausbruch.
"Just Like You" bedient sich allerdings zunächst an Harmonien. "Clue Two" fusioniert selbige in genialer Weise mit Dissonanz. Eine E-Bow-Gitarre taucht in "Procedural" auf, "Like Home" steigert sich in einen kranken, abrupt endenden Höhepunkt. Sähe mich jemand so an, wie das Klappern und Poltern in "The Way He Looks At Me" klingt – ich würde wohl genauso verrückt werden, wie Amazing Amy.
Im Kontrast dazu präsentiert "Technically, Missing" im Anschluss fast schon so etwas wie eine epische Struktur. "Secrets" weist gar treibende Rhythmen auf. "Consummation" paart dröhnende Bassfrequenzen mit fragilen hohen Streichern. Die Wiedergabe über Kopfhörer dürfte erhöhten Puls und schweißnasse Hände garantieren. Zum Herzschlagfinale setzt "At Risk" an: Sekündliches Ticken mündet in leises Pochen, vollkommene Stille folgt. In Shutter Island-Manier drehen erdrückende Bassschübe die Boxen noch einmal abschließend auf links.
In seinen besten Momenten ist Trent Reznor und Atticus Ross' Soundtrack ein sinistres Monument, ein Monster. Dem gegenüber stehen jedoch Passagen, die schlicht nicht zwingend genug daherkommen. Diese Schwäche begünstigen sicher die vielfach vorhandenen, gewaltigen Klimaxe. Sieht man darüber hinweg, offenbart sich ein ebenso faszinierender wie grauenerregender Soundpalast. Wenn nicht sogar nervenzehrende Ödnis.
4 Kommentare
Die Kritik liest sich besser als die Wertung. Aber ja, ein Knaller Opener wie beim Social Network Score fehlte.
Der Film selber ist ja schon nicht so schnafte, maeandert seine zweieinhalb Stunden vor sich hin, die man an sich hauptsaechlich damit verbringt, Rosamund Pike anzuhimmeln. Kommt fuer mich in keiner Weise an die Buchvorlage ran, bin aber trotzdem auf die beiden anderen Verflynnungen (lolo) gespannt. Gab die letzten Jahre kaum unterhaltsamere Sommerlektueren als ihre Romane.
Der Film fällt im letzten Drittel sowas von auseinander.
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