laut.de-Kritik

"Musik ist wie Gott: sie hat keine Farbe, keine Form, keinen Namen etc."

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"Jazz ist ein Job und eigentlich geht es nur um meine eigene Musik," beschreibt Trilok Gurtu die Wandlung, die er im Laufe seiner Karriere vollzog. "Ich habe gelernt, meine Musik einfacher zu schreiben und damit auf das Publikum zuzugehen. Nicht das Publikum braucht mich, ich brauche das Publikum."

Versucht "Massical" dementsprechend den Spagat zwischen Publikumsgeschmack und dem Real Thing, dem sich Gurtu Mitte der Neunziger verschreibt? "Was wir spielen ist das 'Real Thing'" und "Jazz war früher, heute mache ich meine eigene Musik", verkündet er seither bei jeder Gelegenheit.

"Damals waren noch andere Zeiten, es gab kein YouTube und Google. Heute ist die Welt sehr klein geworden und jeder braucht jeden. Heutzutage ist Musik nur eine Beilage und kein Hauptgericht mehr", kommentiert Gurtu die Veränderungen gegenüber laut.de.

Eine Beilage, bei der man aus zehn Varietäten wählen darf, serviert die seit den 70ern in Deutschland lebende Tabla-Legende auf "Massical". "Musik muss für alle da sein. Deshalb sage ich, Musik ist massical", erklärt er die Titelwahl. Dass er sich nach wie vor 'seinem Sound' verschreibt wird schnell klar, denn bereits der Opener "Seven Notes To Heaven" kredenzt einen Real Thing-typischen Gurtu. Doch was ist dieses verflixte Real Thing überhaupt?

"Musik ist wie Gott: sie hat keine Farbe, keine Form und keinen Namen etc. Was bleibt übrig? Sie zu akzeptieren wie sie ist", verweigert sich Gurtu einer Definition, "das Real Thing ist, was wirklich in uns steckt. Ohne Schmutz." Aha! Was in Trilok Gurtu steckt kann zwar als jazz- und weltmusikinspirierte Vision betrachtet werden, eine genaue Kategorisierung fällt jedoch schwer.

Ausgangspunkt seines Dings sind komplexe rhythmische Strukturen, die den Songs ein deutliches Worldjazz-Profil verleihen. Dazu gesellen sich Melodielinien, Harmonien, Instrumentierungen und Improvisationen, die sich aus allen Möglichkeiten speißen, die seine Gäste einbringen. Die Frage nach dem roten Faden seiner kooperationsreichen Solokarriere (dieses Mal lädt er Jan Garbarek und Zap Mamas Sabine Kabongo ein), lässt er letztlich aber auch unbeantwortet: "Der Faden ist farblos. Ich will zeigen, dass Musik eins ist - ohne Wörter, Sprache und Erklärungen. Wir bauen Brücken und keine Barrieren."

Einzigartige Herausstellungsmerkmale bieten "Massical" und Gurtus Real Thing trotz fehlender Erklärungen zuhauf, denn er hat erreicht, wovon viele träumen: Man erkennt ihn an seiner Musik. Man mag diesen Wiedererkennungswert mögen oder nicht. Dem Publikum kommt "Massical" jedenfalls nicht sehr weit entgegen, auch wenn es sich naht- und harmlos in Gurtus Discografie einreiht.

Hat sich der Meister etwa mit dem Servieren von Häppchen und auditiven Beilagen abgefunden? Das bleibt nicht zu hoffen, ein Legendenstatus will schließlich gepflegt werden und es wäre mal wieder Zeit für ein Meisterwerk. Das ist "Massical" trotz aller positiver Vorurteile nicht!

Trilok Gurtu nimmt's gelassen. Auf die Frage, wie er seinen musikalischen Werdegang und das Real Thing im Kontext von "Massical" beurteilt, antwortet er: "Musik sollte jeden erreichen und ist für alle da, wie Gott. Jeder kann für sich entscheiden, was er möchte."

Trackliste

  1. 1. Seven Notes To Heaven
  2. 2. Bridges
  3. 3. Mumbai Shuffle
  4. 4. Havatight
  5. 5. Dive In
  6. 6. Monk-E-Desh
  7. 7. Kuruksetra
  8. 8. Pathri
  9. 9. Etnosur
  10. 10. Massical

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5 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    Ein dolleres Sammelsurium an bedeutungsschwangeren Zitaten des Künstlers über seine Musik und sich selbst hab ich noch in keiner deiner Rezensionen gelesen. :ill:

    Mensch...ich kannte Trilok Gurtu bis zu einem Blick eben in Richtung Wiki noch nicht mal. Nie irgendwelche Musik von dem Mann gehört.
    Sitarspieler aus Indien. Was sollte (müsste?) man außer diesem Album vielleicht von ihm kennen?

  • Vor 15 Jahren

    Tabla ;). Die Aufnahme, die ich von ihm am liebsten mag, ist immer noch die zweite Seite auf der "Apo-Calypso" von Embryo; John McLaughlin Trio: "Live At The Royal Festival Hall" kann man auch hören. Ich hab aber nicht wirklich einen Überblick über sein Werk, weil er Ende der 80er angefangen hat, ein Percussion-Arsenal zu entwickeln, das ich nicht mag, und von daher sein Spiel (gerade bei Oregon) mich gestört hat ...
    Ach, auf der "Three Day Moon" von Barre Phillips spielt er sehr gut, aber das ist soundtechnisch eine Rypdal-Scheibe, also vielleicht nicht gerade dein Ding.

  • Vor 15 Jahren

    hey jan,

    wie du an thelemas ausführungen erkennst, macht gurtu es einem schwer, ein must-have-album zu benennen. Mir geht es ebenfalls so, dass ich von hier dieses stück, von dort jenes stück mag. außerdem hab ich den mann einst live gesehen. Das ist ein must-do ;-)

  • Vor 15 Jahren

    Sorry Leute. Nach Thelemas Beitrag wie auch dem Gucken und Hören diverser Youtube-Dinger (incl. John McLaughlin / Trilok Gurtu) bringt mich dieses seltsame Geschepper (http://www.youtube.com/watch?v=tPxQp9KsPNE…) mit frickeliger Flitzefingergitarre leicht in nervöse Wallungen.
    Und bevor sich in meinem Gesicht hektische Flecken breitmachen, mache ich schnell Youtube zu. ;)

  • Vor 15 Jahren

    vielleicht versucht du es mal mit "Ganapati". Das ist ein Song von einer älteren Scheibe Gurtus bei dem Neneh Cherry an den Vocals ist ...