laut.de-Kritik
Die Regenbogenflagge mit Stolz schwingen.
Review von Stefan MertlikLGBTQ-Künstler_innen existieren zuhauf. Im Mainstream fanden sie trotzdem häufig nur in Ausnahmefällen oder als bunte Exoten statt. In den letzten Jahren änderte sich das. Musiker_innen wie Kehlani, Courtney Barnett, Sam Vance-Law, Frank Ocean, Mykki Blanco und Laura Janes Grace von Against Me! zeigen mit Engagement und guter Musik, dass es noch so viel mehr als nur Heterosexualität gibt.
Troye Sivan schwingt die Regenbogenflagge ebenfalls mit Stolz. Auf seinem zweiten Studioalbum "Bloom" beschäftigt er sich so offen mit Sex, Liebe und Beziehungen, dass das Hören voyeuristische Züge annimmt.
Der Opener "Seventeen" wirft den Hörer direkt ins kalte Wasser, indem er mit einer verletzlichen Ehrlichkeit aus Sivans Jugend berichtet. Über Grindr lernte er damals einen älteren Mann kennen, mit dem er erste sexuelle Erfahrungen sammelte. Ein Muster, das Sivan in Interviews als typisch für junge Schwule beschreibt, da es in diesem Alter schwierig sei, Kontakt zu Gleichaltrigen zu knüpfen.
Der 23-Jährige macht seine Sexualität zum Thema, dennoch wäre es ein großes Versäumnis, ihn nur darauf zu reduzieren. Troye Sivan schreibt - in neun von zehn Fällen - astreine Popsongs. "Bloom" ist auf Hochglanz getrimmte Tanzmusik, die ihre inhaltliche Tiefe verdecken kann. So klingt ein Stück wie "Plum" zwar nach Freudentaumel in der Großraumdisko, erzählt aber von einer Beziehung, die trotz gegenseitiger Sympathie in die Brüche geht. Auf dem gitarrenlastigen "The Good Side" beschreibt Sivan dann die Zeit kurz nach einer Trennung: "So many thoughts I wanted to share / But I didn't call because it wouldn't be fair".
Trotz einer überschaubaren Spielzeit von 36 Minuten besitzt die Platte einen Spannungsbogen, der in der Albummitte mit der Pianoballade "Postcard" den dramatischen Höhepunkt erreicht. Im Duett mit der australischen Folktronica-Künstlerin Gordi erkennt Sivan an einer vermeintlichen Lappalie, dass sein Freund doch nicht perfekt ist. Das darauffolgende "Dance to This" mit Ariana Grande gibt nur leicht Gas, bevor das letzte Albumdrittel mit "What a Heavenly Way to Die" und "Lucky Strike" noch einmal zum Herumhüpfen auf der Tanzfläche animiert.
Die Produktionen stammen vom gleichen Team, das bereits am Vorgänger "Blue Neighbourhood" von 2015 arbeitete. Im Fokus sollten aber die Inhalte stehen. "Bloom" lebt vom Wechselspiel der emotionalen Extreme. Die Anspannung kurz vor dem Verlust der Jungfräulichkeit trifft auf gelöste Liebesbekundungen an einen vertrauten Menschen. Die zehn Songs erzählen klassische Geschichten, die in der Popmusik schon immer erzählt wurden. Allein dadurch sollte Troye Sivans Musik für alle Menschen funktionieren – so lange diese charttauglichen Dance-Pop mögen.
6 Kommentare
Ja, die 4 kann man sicher geben. Ein schönes, kompaktes Popalbum, das wieder einmal aufzeigt, dass kurze und dafür kohärente Alben eben immer noch die besten sind. Highlights sind aus meiner Sicht "The Good Side", "Seventeen" sowie "Dance To This".
Blue Neighborhood höre ich noch immer regelmässig, bin gespannt auf's neue album...
Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.
Neben den Platten von Kali Uchis und SOPHIE bisher mein Lieblingsalbum 2018.
Trotz populärer Fick-Präferenzen leider nur öde Fahrstuhl-Mucke. Ein Stern für den Regenbogen
mich hat das Album nach dem ersten Hören noch nicht ganz überzeugen können... und scheinbar verstehe ich unter Dance-Pop etwas ganz anderes als der Rezensionsschreibende... aber ich höre noch mal rein.