laut.de-Kritik
Die wohltemperierte Rettung vor dem aufziehenden Winter.
Review von Dominik LippeAllüberall verbreitet der aufziehende Winter rücksichtslose Kälte und beraubt die Umwelt sukzessive ihrer Farben. Da kommt mit "Beach House 3" die musikalische Rettung vor winterlichen Strapazen gerade zur rechten Zeit. Mit den sommerlichen Monaten im Rückspiegel liefert Ty Dolla Sign ein wohltemperiertes, Selbstgenügsamkeit ausstrahlendes Album ab, das sich zwischen den musikalischen Polen R'n'B und Hip-Hop bewegt.
Ab 2012 errichtete Sign seine ersten Strandhäuser noch als Mixtapes. Für seine letztährige Veröffentlichung "Campaign" buchte der R'n'B-Sänger Urlaub vom Urlaub, um über harte Trap-Beats gegen Donald Trump zu Felde zu ziehen. Nun da die ganze Welt in Wallung geraten ist, entzieht sich der Musiker auf seinem zweiten Studioalbum dem Trubel, um erneut in seinem Beach House dem Müßiggang zu frönen.
Im einleitenden "Famous" sinniert Ty Dolla Sign begleitet von einer Akustikgitrarre über das Wesen des Ruhms. Er gibt sich sicher, dass jeder Mensch diesen über den einfachsten Weg erlangen möchte: "They want their name in the lights, wanna be on your flatscreens. They wanna sign autographs, all the important things." Während er inhaltlich die atemlos antreibende Ruhmsucht schildert, klingt sein musikalisch zurückhaltend begleiteter, entspannter Gesang, als säße er mit kynischer Besonnenheit unter einer Palme am Strand.
Als Sänger steht Ty Dolla Sign durchaus in der Tradition R. Kellys. Auf dessen Genre-Klassiker "12 Play" spielt der Kalifornier etwa in "Ex" an. Glücklicherweise fehlt ihm die Larmoyanz eines Kellys. Vielmehr fährt er den Schmalz und Pathos des Sängers signifikant herunter.
Dagegen gelingt es ihm leider nicht, sich vom Hang seines Vorbilds zu befreien, die dem Genre innewohnende Erotik ins Sexistische abgleiten zu lassen ("Got a main chick, she likes no new hoes"). Besagte Huren umschwirren Sign fliegengleich: "I've been stressin', I've been up all night. Had to leave them hoes alone, had to focus on my life." Es soll ja Kritikerinnen geben, die bereits durch Kellys misogyne Verse zu besorgniserregenden Kastrationsfantasien animiert wurden.
Musikalisch lässt sich "Beach House 3" als modernen Hybriden aus Hip-Hop und R'n'B charakterisieren. Dabei schwebt Ty Dolla Sign zum Teil mit demonstrativer Gelassenheit über hypnotische Trap-Beats ("Dawsin's Breek", "In Your Phone", "In Your Phone"). "Don't Judge Me" und "Ex" ergänzen diese Grundlage um einen warmen Westcoast-Einschlag. Immer wieder rundet auch eingebautes Meeresrauschen die einnehmenden Instrumentals ab ("Ex", "Famous Excuses", "Famous Amy").
Auf "So Am I" begibt sich Sign an der Seite von Damian Marley in Reggae-Gefilde. Kurioserweise zeichnet Dubstep-Pionier Skrillex für die zurückgelehnte Produktion verantwortlich. Das sonst so skurril überdrehte "Scary Monster" sorgt somit für die größte musikalische Überraschung des Albums. Weniger verblüffend stellt sich dagegen der Inhalt dar, der in gewohnten Gewässern vor sich hintreibt: "Girl, you're looking for somebody, somebody you can call on, call on when you need it done right. If you're looking for a real one, so am I."
Neben Skrillex bittet Ty Dolla Sign mit Tory Lanez, Lil Wayne, Wiz Khalifa, Pharrell Williams, Future und The-Dream eine ganze Armada an Hochkarätern zum Schaulaufen. Ausnahmslos fügen sich diese völlig organisch in das Soundbild des Albums ein.
Signs zweites Album erweist sich als sommerliche Veröffentlichung, die kommende Kälte vielleicht etwas mildert. Noch besser wäre es, einfach den europäischen Winter hinter sich zu lassen, um sich im Angesicht des Sonnenuntergangs vor dem Strand einer karibischen Insel treiben zu lassen und "Beach House 3" zu genießen. Denn Ty Dolla Sign weiß ganz genau: "Just breathe, life is too short. Enjoy this moment." Ohne jeden Zweifel.
2 Kommentare
Meiner Meinung nach kommts nicht an sein Debüt Album (Free TC) ran. Dem Ding hätte ich ne 4/5 gegeben, Beach House 3 kriegt nur ne 3-3,5/5.
Sehr eigenwilliges, tiefsinniges Album. Must-have!