laut.de-Kritik

Einige Diamanten verstecken sich zwischen Soul und Folk.

Review von

Valerie June beginnt ihr mit einer zwölfköpfigen Band eingespieltes Album mit "Joy, Joy!" zwischen Baritonsaxophon und Bratsche. Die im Soul- und Folk verwurzelte Musikerin gehört zu einer mitreißenden Bewegung in den USA, die mit einem Diversity-Ansatz die Roots-Musik neu aufzwirbelt.

Der Trennung zwischen Soul als 'Black' Music versus Folk als 'weißem' Genre erteilen die Mitstreiterinnen von Lizzie No bis Leyla McCalla ebenso klar eine Absage wie der unterrepräsentierten Rolle von Frauen in der Musikindustrie. Cellistin Vanessa, Bratschistin Luanne und Toningenieurin Dani diversifizieren "Owls, Omens And Oracles" ebenso wie Bassist Kaveh, die einen persischem Hintergrund hat.

Mit ihrer kläffenden Gesangstechnik gestaltet June geschichtsbewusst gut die Hälfte der 14 Tracks recht stringent. Einigermaßen oft wiederholen sich beispielsweise Harmonie-Kniffe, Gefühle und Stimmungen. Das perkussive, harte und straighte "Inside Me" hebt sich hier angenehm ab. Es lässt die Liedstruktur transparenter und konturierter erscheinen.

Geht es um Soul, weiß Valerie hingegen recht genau, was in Sachen Spannungsaufbau zu tun ist. In "Trust The Path" zieht uns die Gitarristin Schritt für Schritt, unterstützt von Klavier sowie luftigen und zugleich nachdrücklichen Wumms-Kick-Drums, in ihre Story. Vehemenz besitzt sie, wenn sie 18 Mal den Tiefpunkt des Pfades besingt, "down, down, down". Abseits davon möchte man immer wieder damit rechnen, dass sie gleich "Easy like Sunday morning" anstimmt. Denn genau in der Stimmung des Klassikers "Easy" von den Commodores präsentiert sich der Song. Ein bisschen Laura Nyro-Anmut lässt sich ebenfalls nicht leugnen.

Ein rhythmisch interessant perlendes Stück ist "Superpower" mit Click'n'Cut-Loops und treffsicher platzierten E-Guitar-Spratzern. Valerie spricht hier mehr, als dass sie singt und sorgt für entspannenden Rhythm'n'Rhyme-Downbeat. Weniger Potenzial zeitigt leider die Zusammenarbeit "Changed feat. The Blind Boys Of Alabama", in der man besagtes Gesangs-Kollektiv kaum wahrnimmt, im Gegensatz zur wirklich schillernden Hammond-Orgel.

Dass Country nicht trist klingen muss, zeigt sich zu ebenjener Hammond in "My Life Is A Country Song". Die andere Kollabo "Sweet Things Just For You feat. Norah Jones" bietet ebenfalls keinen wirklich direkten Kontakt mit Norahs Stimme, gleichwohl sie irgendwo da reingemischt ist.

Den Blick aufs Wesentliche verstellt hier oft die übermächtige Soundfülle der Arrangements. Das Wichtige wäre aber die transformative Power von Junes Lyrik. Etwa, wenn sie in "Endless Tree" resigniert maunzt: "Watching the news almost every night / telling the stories of all, that ain't right. / But what could be done from a house and a home? / sink in the sofa and feel so alone. / Getting the courage to do something small." Die Musikerin möchte die Welt verbessern.

M. Ward legte an alle Tracks als Produzent Hand an, er spielt auch die aufbegehrende E-Gitarre sowie Glockenspiel und Marimba. Im englischsprachigen Raum, in dem Valerie ein erheblich größeres Gewicht als Interpretin und viel Medien-Echo hat, kommt dieses Team unterschiedlich gut bzw. schlecht weg. So findet man etwa den Vergleich von Ward mit Phil Spector.

Hört man etwa das Trompetensolo, das im Song "Love And Let Go" alles andere wegbläst, oder M. Wards brachial berstende E-Gitarre in "Joy, Joy!", dann kann die Platte als missglückt erscheinen. Andererseits bringen die Kompositionen eine eigenständige Qualität mit: Sie sind zu gut geraten, um einer geschmacklosen und schrillen Produktion nicht standhalten zu können.

Das verträumte "All I Really Wanna Do" gelingt dabei herausragend gut. Hier ziehen Valeries Vocals alles mit. Sie will uns davon überzeugen, dass die Welt zu verändern, unbequem und schmerzhaft ist, aber wir tief in uns drinnen wissen, wie wir sie eigentlich am liebsten haben möchten. "Oh, folks will try to tell us, that our time ain't right / But our souls will guide us, when we fuss and fight / There'll be days of distance / There'll be nights of pain / But we'll keep on dancing through the hardest rain."

Diesen gesellschaftlichen Überbau bricht sie dann in einer Romeo-und-Julia-Geschichte auf eine verhinderte Liebesbeziehung herunter. Poesietechnisch ist "All I Really Wanna Do" ein Meisterwerk, und mit etwas weniger Unruhe in der musikalischen Umsetzung käme dies noch besser zur Geltung. Dagegen tut der Acapella-Song "Calling My Spirit" im Kontrast richtig gut. Bei anderen entschlackten Songs wie "Missin' You (Yeah, Yeah)" hätte man dem Lied dagegen mehr Zutaten gewünscht.

So verzettelt sich am Ende manch Songidee. Unterm Strich stecken aber mindestens vier Diamanten in dieser Scheibe: "All I Really Wanna Do", "Trust The Path", "Superpower" und "Calling My Spirit".

Trackliste

  1. 1. Joy, Joy!
  2. 2. All I Really Wanna Do
  3. 3. Endless Tree
  4. 4. Inside Me
  5. 5. Trust The Path
  6. 6. Love Me Any Ole Way
  7. 7. Changed feat. The Blind Boys Of Alabama
  8. 8. Superpower
  9. 9. Sweet Things Just For You feat. Norah Jones
  10. 10. I Am In Love
  11. 11. Calling My Spirit
  12. 12. My Life Is A Country Song
  13. 13. Missin' You (Yeah, Yeah)
  14. 14. Love And Let Go

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