laut.de-Kritik
Gelungener Mitschnitt eines Gänsehaut-Abends.
Review von Giuliano BenassiEs war ein Promotionanlass, aber was für einer: Im September 2013 kamen in der New Yorker Town Hall Jung und Alt, Unbekannt und Berühmt, Schauspieler und Musiker auf der Bühne zusammen, um die Werbetrommel für den damals neuen Film der Coen-Brüder, "Inside Llewyn Davis", zu rühren.
Als musikalischer Verantwortlicher für Soundtrack und Abend zeichnete T Bone Burnett. Neben dem Film, so sein Konzept, galt es, das Greenwich Village der 1950er und 1960er Jahre zu zelebrieren, also jene Revival Folk-Szene, die Bob Dylan oder Peter, Paul And Mary hervorgebracht hatte. Außerdem unzählige weitere Künstler, unter ihnen Pete Seeger und Dave Van Ronk, eine der inspirierenden Figuren für den Film.
Eine Einladung, die für die Beteiligten zu schön geklungen haben muss, um wahr zu sein. Wie sonst lässt es sich erklären, dass Jack White, Joan Baez, Conor Oberst, Marcus Mumford, Elvis Costello, die Avett Brothers, Patti Smith oder die Punch Brothers, nur um einige zu nennen, zusammen Musik machten?
Natürlich sind die Stücke des Soundtracks zu hören. Doch Burnett wollte den Abend auch als eine Hommage an jene Musiker verstehen, die in den 1950er Jahre von Joseph McCarthy drangsaliert worden waren. Rabiat und medienwirksam denunzierte der US-Senator mutmaßliche sowjetische Spione oder Sympathisanten des Erzfeindes. Um zur Risikogruppe zu zählen, reichte es, Gewerkschaften nahe zu stehen oder Stücke zu interpretieren, die sozialistisches Gedankengut offenbarten. Beides war im Village zuhauf zu finden.
So sind hier Woody Guthries "This Land Is Your Land" oder die Gewerkschaftshymnen "Which Side Are You On" und "Joe Hill" zu hören, letzteres mit einer Gesangseinlage von Joan Baez. Die stammt zwar aus Boston und war eher in der dortigen Folk-Szene groß geworden, doch sie das Stück singen zu hören, mit dem sie schon 1969 in Woodstock aufgetreten war, erzeugt Gänsehaut.
Ein Zustand, der sich des Öfteren einstellt. So bei Gillian Welch und ihrem Partner Dave Rawlings, die mit dem Newcomer Willie Watson das sozialkritische "I Hear Them All" der Old Crow Medicine Show interpretieren, das in "This Land Is Your Land" übergeht. Die Avett Brothers treten mit "How I Got To Memphis" in die großen Fußstapfen Solomon Burkes, der das Stück 2006 meisterhaft interpretiert hatte.
Besonders gelungen fällt auch "Four Strong Winds" aus, hier mit Conor Oberst, das Neil Young als einen der Gründe nennt, weshalb er begann, Musik zu machen. Oder "House Of The Rising Sun", wieder Joan Baez im Arrangement Dave Van Ronks, das an eine Unplugged-Version der Animals erinnert. Wobei es die Animals waren, die bei Van Ronk abkupferten, nicht umgekehrt.
Die Idee Burnetts, den Künstlern neben einem (oder mehreren) Traditionals auch die Darbietung eines eigenen Songs zu ermöglichen, bildet ein weiteres gelungenes Element des Abends. So fügen sich "We're Going To Be Friends" der White Stripes (Jack White) oder "Man Named Truth" von Monsters Of Folk (Conor Oberst) nahtlos ein. Ein bisschen aus der Reihe tanzt Rhiannon Giddens von den Carolina Chocolate Drops, die ein keltisches Stück interpretiert, dafür um so stimmgewaltiger.
Auch wenn ein abschließender All-Star-Auftritt fehlt (das dazu oft verwendete "Will The Circle Be Unbroken" kommt schon zu Beginn in kleiner Besetzung), zieht Bob Dylans "Farewell" wie schon beim Film einen gelungenen Schlussstrich. Ein toller Abend, der sich dank der sehr guten Klangqualität auch im Wohnzimmer nacherleben lässt.
PS: Wer sich die Bilder dazu anschauen möchte: Der Mitschnitt des Konzerts samt Dokumentation ist bereits 2014 als Beilage-DVD in einer Deluxe-Edition von "Inside Llewyn Davis" erschienen. Dort ist auch Patti Smith mit "Babe, I'm Gonna Leave You" vertreten, das hier nicht zu hören ist.
1 Kommentar
Der Soundtrack ist schon großartig, das ist auf jeden fall ein must-listen