laut.de-Kritik
So großspurig der Titel, so grottig die Umsetzung.
Review von Alexander CordasJa ja, 50 Jahre soll es jetzt her sein, dass sich der Rock aus der Ursuppe von Blues und R'n'B erhob und aufbrach, die Musikgeschichte zu revolutionieren. Das Datum der Aufnahme von Bill Haleys "Rock Around The Clock" hält als Zeitmarke her, damit Thomas Gottschalk ein halbes Jahrhundert später im ZDF seine Geschichtsumdeutung lang und breit auf der Fernsehbühne inszenieren darf.
Dabei erlebte er im Vergleich mit Karl Moiks Musikantenstadel den quotentechnischen Untergang. Logische Konsequenz: ein Moderatorenjob für das Revival von 'Telespiele' auf Neun Live. Dort gehört er nach der "50 Jahre Rock"-Katastrophe auch hin. Wer so fahrlässig die Chance vertut, der Generation Playstation das nahe zu bringen, was diese Musik bedeutet, der sollte dorthin gehen, wo er mit seiner dummblöden Moderation noch am besten aufgehoben ist: in den Zirkus.
In der Sendung wollte der Grufti-Rocker Gottschalk erklären, was Rock ausmacht. Das beinhaltet aber eben nicht "Das Beste aus den Fünfzigern, Sechzigern, Siebzigern, Achtzigern, Neunzigern und den dümmsten Bockmist von heute". Ebenjenes wollen uns die Mafiosi der Formatradios vom Schlage SWR 3 und BR 3 mit ihrer gequirlten Scheiße aus aneinandergereihten Tönen jeden Tag aufs Neue vorgaukeln.
Getrost könnte eine echte Geschichtsstunde in Sachen Rock auf den Großteil dieser Compilation verzichten. Ohne Kümmelspalterei fliegen zwei Drittel der hier vertretenen Titel aufgrund unparteiischer Geschmackskontrolle raus.
ELO? Fort damit. Toto? Ne, hau weg den Quatsch. Phil Collins' "In The Air Tonight"? Vielleicht im Sado Maso-Studio. Die musikalische Anbiederung an den Massengeschmack der Jugendlichen gerät mit den finnischen Milchbubis von The Rasmus zur Posse der peinlichsten Sorte.
Dass die Scorpions dereinst wirklich einmal Pfeffer im Hintern hatten, wissen wir. Aber "Wind Of Change"? Ausgerechnet diese furchtbarste aller furchtbaren Klang-Kreaturen? Schürzt eure Lippen und pfeift auf diesen pathetischen Quatsch.
"Alt wie ein Baum möchte ich werden, genau wie der Dichter es beschreibt" sinnieren die Puhdys. Wie dicht der Dichter sein muss, damit er sich den Mumpitz über die volle Distanz gibt, zu diesem Thema fragen wir einmal bei Lemmy nach, der wirds schon wissen.
Nüchtern lässt sich das nicht ertragen, selbst wenn die kompilierenden Gehörlosenhühner den einen oder anderen Glückstreffer landen. ZZ Tops "La Grange" geht immer, mit Chuck Berry konnte sich wenigstens ein Schwarzer in den Kreis der erlauchten Milchbrötchen schmuggeln.
Wer den Flop des Jahres im Fernsehen verfolgen musste, macht um diese zwei CDs ganz sicher einen großen Bogen. Bei medial pompös in Szene gesetzten Peinlichkeiten und bombastischen Fehlbesetzungen wie Bonnie Tyler, Wanda Jackson und Leslie "Dschingis Khan" Mandoki stellte es dem Zuschauer bereits am 17. April alle noch vorhandenen Haare auf.
Gottschalk selbst meinte, nach der Sendung auf die fehlenden wirklichen Stars angesprochen, man müsse "nehmen, was man kriegen kann". Self fulfilling prophecy nennt das der Freizeitphilosoph. Die Trackliste bestätigt die Weissagung. Pfui.
"50 Jahre Rock". So großspurig der Titel, so grottig die Umsetzung. Herr Gottschalk, eine Bitte nur: lassen sie die Lederklamotten in Zukunft im Schrank. Sie sehen darin aus wie eine Bratwurst.
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