laut.de-Kritik
Wenn Trolle rocken ...
Review von Benjamin TrollAch Island ... du sympathisches Land. Ein schneebedeckter und feuerspuckender Felsen im Nordatlantik voller potentieller Fußballprofis und hochtalentierter Musiker, der uns immer wieder aufhorchen lässt. Just auf diesem Felsen begibt es sich im Jahre 2006, dass ein paar zwölfjährige Stöpsel die Band The Vintage Caravan gründen. War Island bisher eher für Elfenhaftes und Geheimnisvolles bekannt, leben Óskar Logi Ágústsson (Vox, Gitarre), Alexander Örn Númason (Bass) und Stefán Ari (Drums) auch auf Longplayer Nummer vier ihre Leidenschaft für den Hardrock der 70er Jahre aus.
Der Opener "Set Your Sights" packt auch gleich mal einen ordentlichen Brecher von Riff auf den Teller. Sofort fällt aber auf: im Vergleich zu den oft nassforschen und verspielten Songs auf den Vorgängern "Voyage" und "Arrival" geht es hier mit klarer Struktur und Stadion-Chor etwas erwachsener zur Sache. Das nachfolgende "The Way" fällt dann tatsächlich ein bisschen simpel aus und entwickelt erst im Chorus die gewohnte Energie.
Ihren altbekannten Spieltrieb finden The Vintage Caravan anschließend auf "Reflections" wieder. Ein sich aufbauendes Riff zu Anfang, Tempowechsel, Ruhephasen und ein in die Freiheit der isländischen Weiten aufbrechender Chorus machen den Song zum ersten großen Highlight auf "Gateways". Über allem thront Ágústssons Stimme, die sich seit dem letzten Album noch mal ein Stück in Richtung des großen Idols Robert Plant entwickelt hat. Darauf ein lautes "HU!"
Der ruhige Beginn des nachfolgenden "On The Run" setzt sogleich den perfekten Kontrapunkt und beweist einmal mehr das Talent der Band für große und melancholische Rock-Hymnen. Die Weiten der kargen Wildnis sind hier beinahe hörbar. Eine ähnliche Richtung schlägt auch "All This Time" ein, bedient sich dabei aber mehr Blues-Elementen. Trotz der zunehmenden Geradlinigkeit im Songwriting lässt sich Ágústsson seine ausufernden Soli aber nicht nehmen.
Dass The Vintage Caravan den Fuzz keineswegs verlernt haben, beweist "Hidden Streams". Immer wieder fängt die Band die stadionfähigen Refrains rechtzeitig wieder ein, um sie mit fetten Riffs sowie ordentlich Pfeffer im Hintern wieder in den passenden Kontext zu stellen. Selbiges gilt auch für "Reset", das im Stile einer 80er Hardrock-Hymne loslegt, um sich zwischendurch doch ein ordentliches Fuzz-Geschrabbel zu leisten.
Gerade, als ich trotz allem die Abwechslung der letzten Alben etwas vermisse, kommt mit "Nebula" der nötige Bruch. In relaxtem Tempo und mit psychedelischen Harmonien angereichert, steuert der Song geradewegs in Richtung Prog, nimmt rhythmisch höchst anspruchsvolle Tempowechsel mit und ergießt sich schlussendlich mit einem explosiven Solo zurück zum Psychedelic Rock. Dieser Song zeigt die ganze Bandbreite des musikalischen Talents dieser Band, und man fragt sich doch ein bisschen, warum das Trio nicht viel bekannter ist.
Den folgenden Bluesrock-Kracher "Farewell" leitet die Band mit einem mysteriös angehauchten Orgel-Intro ein, um sich dann auf einen Roadtrip durch die Südstaaten zu verabschieden. Genau dort, nämlich mit eher entspanntem Blues, beginnt auch das abschließende "Tune Out", um dann gegen Ende noch einmal mit aller nordisch-mythischen Theatralik zu explodieren.
Gerade als ich dachte, The Vintage Caravan hätten ihre Vielseitigkeit und Experimentierfreude zu Gunsten straighter und durchaus stadiontauglicher Hard-Rock Banger etwas heruntergefahren, belehren mich die drei Isländer eines besseren. Diese Fülle an Einflüssen einer langen und großen Rock-Geschichte zu ehren, zu zitieren und trotzdem zu einem eigenständigen und überzeugenden Ganzen zu formen ist das Verdienst einer hochtalentierten und großen Rockband. Die Chancen stehen gut, dass The Vintage Caravan diese Schwelle mit "Gateways" jetzt erreicht haben.
3 Kommentare mit einer Antwort
Beim Bandnamen, dachte ich an einen alten Holländer auf Reisen. Dann waren es doch nur Wikinger.
Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.
"Die Chancen stehen gut, dass The Vintage Caravan diese Schwelle mit "Gateways" jetzt erreicht haben."
Solln sich mal waschen und die Haare vom Vulkanstaub befreien, dann, aber nur dann wird das auch was, mit meiner Haustürschwelle. Bin zwar nur mitten drin, hab aber schon den Wunsch durch zu skippen. Nicht das die Mucke schlecht gespielt wäre, gesungen auch nicht. Nur es passiert einfach viel zu wenig, um mich wirklich, hinterm Ofen Blueshardrock weg zu locken. Beispiel, der sich wiederholende in Endlosschleife Refrain bei "On The Run". Man jammer doch den Vulkan an! Nervt, wo bleibt die Idee, wo pustet der Refrain dem Vulkan den speiendem Kegel aus?
Dann die Gitarrenarbeit bei sämtlichen Stücken, virtuose Riffs Fehlanzeige und das aus einer fuzzenden versiegenden Vulkanlava - Rhytmusgitarre. Keinen Bock mehr, Wikinger sind tot und Holländer kauft euch neues Campinggefährt. Das war ein kurzer Inselbesuch, mit Sighseeing beim Vulkan war auch nix, der hatte heute Wikingerkater. 2/5
Die Jon Lord Gedächtnisorgel, ich mach aus. An alle Isländer, jemand löscht eure Vulkane, passt auf.