laut.de-Kritik
Zwischen Normalo-Tom Waits und Schmäh-Leonard Cohen.
Review von Manuel Berger"Die erste Gschicht erzählt a kugelrunder Russ." Ja, und dann erzählt er, der Voodoo Jürgens, und erzählt und erzählt. Von was eigentlich? Einer engen "Wohnung in der Nobilegassn", Müttern mit Sterbewunsch, die dem Bua "a Fraa" wünschen und beinamputierten Säufern. Ziemlich viel also, im Grunde aber ... nichts.
Irgendwie macht genau das den Tullner Vokuhila-Träger aus: er mag mitsamt Mundharmonika den Dylan mimen ("A Gscheida Bua"), hat allerdings ganz und gar nicht vor, in revolutionäre Fußstapfen zu treten. Seine Lebensweisheiten bestehen darin, zu verraten, dass "a gscheida Bua" in die Luft schaut, bis ihm schwindlig wird, stibitzt statt klaut und von Huren träumt. Vielleicht ist genau das das Revolutionäre.
Als es vor einigen Monaten "Heite Grob Ma Tote Aus" – von Wanda geteilt – in meinen Feed spülte, war ich noch etwas skeptisch. Nettes Wortspiel, das der Bursch da bemüht, und auch ganz nettes Lied, hübsch anzuhören. Nur: würde das auf Albumlänge mehr können als nur "nett"? Jetzt gibt's die Antwort: Ja! Denn die Single präsentiert letztendlich nur einen Fetzen des Gesamtstücks "Ansa Woar" – und zwar den zugänglichsten. Irgendwo zwischen Kabarett, Entertainer und Marktschreier frönt Voodoo Jürgens seiner ungenierten Beisllyrik und bildet dabei eine Art Normalo-Tom Waits oder Schmäh-Cohen.
"Heite Grob Ma Tote Aus" fungiert als Hit in einem an sich eher sperrigen Liedermacher-Album. Wer denkt, der Mann würde freudig die Welle reiten, mit der Wanda oder Bilderbuch sich derzeit in immer größere Hallen spielen, könnte falscher kaum liegen. Wo Wanda mit "Amore" und Machotum die Weltenbürger geben und Bilderbuch mit Softdrink in der Hand in ihrer "Maschin" durch die overdresseden Straßen Wiens cruisen, hockt Voodoo a bissal grantig, a bissal bös, aber vor allem urglücklich auf seinem Misthaufen und plärrt seine Moritate in die Straßen naus.
Eine griffige Hook schmäht der heutige Wiener zwar nicht ("Gitti"), vor allem aber konzentriert er sich aufs Erzählen. Die Musik wandert dabei auch mal in den Hintergrund. "Alimente" etwa stellt schlicht eine Sammlung Telefongespräche zwischen Hapo und seiner Verflossenen Gitti dar – dazu dudelt Fahrstuhlmusik. Was die an sich belanglosen Dialoge zeigen: Man hört diesem Mann einfach unglaublich gerne zu. Zumal er die Anrufe zwar alltäglich wirken lässt, gleichzeitig aber mit Reimschemata durchzieht.
Mal schlüpft er in die Rolle der Busenfreundin ("Gitti"), schöpft aus der eigenen Kindheit ("Tulln"), stellt eine Kneipenstory nach ("Hansi Da Boxer" mitsamt Zwischenfragen, -rufen und kollektiven Parolen) oder gibt sich selbstreflexiv ("Meine Damen, Meine Herren"). In "3 Gschichtn Ausn Cafe Fesch" switcht er zwischen unbeteiligtem Beobachter, Beobachtetem und wiederum Figuren der Geschichte hin und her, die der Beobachtete seinen Freunden (die ebenfalls noch zum Zug kommen) nahe bringt. Die Gitarrenbegleitung erinnert dabei latent an Tenacious Ds "Tribute". Ob Jack Black und Brother Kyle wohl an besungenem Abend anwesend waren?
Zur Gitarre des Neu-Udos, der an sich ziemlich wenig mit dem Original-Udo zu tun hat, gesellen sich manchmal zurückhaltendes Schlagzeug, leises Barpiano, auch mal ein Akkordeon oder die eingangs erwähnte Dylan-Tröte. Das wichtigste Instrument ist allerdings Voodoos Stimme. Leicht angesäuselt lamentiert er damit in einem wiegenden Singsang vor sich hin – in tiefstem Dialekt, wogegen Danzer, Ambros und Co. beinah Hochdeutsch klingen – transportiert dabei aber derart viel Ausdruck, dass man ihn guten Gewissens als die derbe österreichische Antwort auf Reinhard Mey bezeichnen kann. Mit demselben Gespür für Details in Text- und Bildsprache wie der 73-jährige Berliner schlenzt der junge Ösi an Spielplätzen und Wachturm-Verteilern vorbei. Von mir aus könnte er noch minutenlang so weiter machen.
Ist Voodoo Jürgens am Ende Bänkelsänger, Büttenredner, Poet, Liedermacher oder einfach nur a ranziger Bua, der gern mal einen kippt und das Glück hatte, dass beim Gscheiddaherredn eine Gitarre im Arm lag? Jedenfalls vermag er es, sowohl mit dem Charme von Fußballfeldschreiern eines niederösterreichischen Kaffs aufzutreten als auch das vielleicht authentischste Liebeslied zu schreiben seit ... ja, seit wann eigentlich? Um es mit den Worten der "Gitti" zu sagen: "I weiß goar nimmer, was i ohne ean tät."
7 Kommentare mit 13 Antworten
ohne vokabelheftbeilage ist das im detail schwer für mich zu verstehen, oida.
aber schon ne interessante (semi)deutschsprachige figur.
"Als es vor einigen Monaten "Heite Grob Ma Tote Aus" – von Wanda geteilt – in meinen Feed spülte, war ich noch etwas skeptisch. Nettes Wortspiel, das der Bursch da bemüht (...)"
Kann mir mit dem Wortspiel jemand auf die Sprünge helfen?
Ich würde mal sagen, dass sich das nicht auf den Songtitel, sondern den Künstlernamen bezieht.
Achso, ja. Aber natürlich.
Klingt ganz interessant, der Name fuckt mich aber irgendwie ab und gerade keinen Platz auf meiner Playlist.
Was Wanda mit "Machotum" zu tun haben, will ich gar nicht verstehen. Hasse diese scheiß Butterhörnchenband einfach.
och, zumindest die kollabo mit ronja von rönne ging doch als entertainment ganz gut ab.
Nee, echt nicht. Für mich sind die nach Amore gestorben, und ich werd die auch nie wieder ausbuddeln. Und mit Fr. von Rönne möchte ich hier gar nicht erst anfangen. Die macht keine Musik, ist also per se indiskutabel an dieser Stelle.
Hier in Wien wurde das halt auch bis zum Erbrechen gehypt. Das war für mich ungefähr so schlimm wie der Trubel um 50 Shades of Grey. Als (Semi-)Literat und gleichzeitig BDSM-Interessierter leide ich noch heute unter diesem Hausfrauentrend.
In euren Köpfen ergibt das wahrscheinlich wenig Sinn, aber für mich sind Wanda und dieses Buch (bzw. noch eher der Film) sehr nah beieinander.
verstehe...für mich als nordlicht ist das ja - hype hin oder her - regelrecht exotische musik. ich fand ja auch die buben im pelz top.
Du bist Östereicher Mundanus? So langsam wird klarer was du für ein Vogel bist, Bergvolk was ab und an mal zu uns Flachländern runter steigt und an der frischen Luft schnuppert. Dann wieder rauf auf den Hügel und laut rufen, ich habe Menschen getroffen da unten. Nett!
Also ganz anders als du, der in einer Höhle lebt, dort ab und an mal heraustritt, um sein primitives Gelalle abzugeben, und sich dann wieder zurückzieht, weil niemand in seinem Gestammel einen wertvollen Beitrag erkennen will.
So Miesepeter wie du, die eine echten Hirnriss vom letztem Stolpern von ihrer Reihenhausterrase haben, können in dem Fall überhaupt nicht mit reden!
Uuuh. Burn, Santi.
Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.
Paranoid_Android Vor ein paar Sekunden
"Von was eigentlich?"
kann sich das schreibende volk bitte wieder angewöhnen, hier den offentsichtlich vom aussterben bedrohten begriff "wovor" zu verwenden? und seine geschwister "wessen", "dessen" und "wovon"?
"von was", "von wem", "von dem" usw. ist alles rütli-deutsch!
wem?
wie meinen?
(offensichtlich da oben natürlich ohne das überflüssige 't'. typo)
Fängst du dann im Gegenzug mit der Verwendung von Majuskeln an?
Hatte das Vergnügen Voodoo Jürgens sin Salzburg live zu erleben. Schöne Musik, interessanter Typ. Bereichert die Szene.