laut.de-Kritik
Katharsis bis zum Anschlag.
Review von Philipp KauseWalter Trout glüht wieder. Emotionalität steht bei ihm oft über Technik und überstrahlt das sowieso schon sehr reife Handwerk. Auch wo das Tempo mal gedrosselt wird (z.B. in "So Many Sad Goodbyes"), bleibt der Eindruck: Trout rauscht zügig durch seine Tracks, weil auf jeden guten ein noch besserer wartet. Da will er zielstrebig hin. Zwei Balladen, "Destiny" und "Follow You Back Home", schneiden als Ausnahmen in die Hochgeschwindigkeits-LP "Ride" ein. In solchen Songs stellt der Amerikaner sich in die Tradition Bob Segers und der Silver Bullet Band.
Der Golden Oldie mit dem schütteren Haar malträtiert seine Stratocaster (und manches Gitarrenjuwel von Delaney) so draufgängerisch, dass er alle Grenzen von Konvention, Formatradio und Standardschemata durchbricht, wegwischt und links liegen lässt. Er wächst über sich selbst hinaus. Seine Liebste, Marke Fender, scheint wie von Zauberhand das Kommando über die Platte zu übernehmen, und beansprucht immerhin 19 ausgedehnte Soli in einem Dutzend Songs.
Der wirkmächtigste Gitarren-Part findet sich im Intro zu "Waiting For The Dawn". Hier schichtet die Sechssaitige lauter atmosphärische Zutaten so lange aufeinander, dass man am liebsten in der Musik baden würde. Wobei all die Guitar Moments hier f***ing great und unverschämt intensiv sind.
Gut 29 Minuten der Platte (also etwa die Hälfte der Spieldauer) lässt der Meister der Schmerz-Vertonung im Form instrumentaler und nicht-übersungener Musik freien Lauf. Dabei beherrscht er ja diverse Ausdrucksnuancen im Gesang. Und er zeigt sie: Von sanft säuseln bis hin zum sich aufbäumen gegen das Schicksal - seine liebste Pose! Röhren und keifen, um all the pain and sorrows raus zu powern - vollbringt er äußerst überzeugend. Seine Theatralik fesselt genauso wie sein Switchen zwischen Gefühlslagen.
Mal schreit er wie am Spieß, mal regiert er souverän über seine Lage. Durch "Waiting For The Dawn" etwa kurvt er gänzlich ruhig und kontrolliert, während das E-Piano und die Hammond mit warmer Aura alles grandios vernebeln. Ein zartes, halb-schnelles Stück, aber eine Ballade mit Charisma!
Dass Walter sich trotzdem nicht verleiten lässt, alle Spielflächen voll zu texten, ist ganz großes Kino. Es beweist sein feines Gespür dafür, wie Hörer*innen hören. Diese Songs hier atmen allesamt. Sie gehorchen nicht den Regularien von Spotify und Hörfunk, bauen sich ohne Radio Edits auf. Oft lautet die Struktur: Ein Intro, in dem Trouts Band ganz bei sich wirkt - anschließend eine locker dargebotene erste Strophe zum Anreißen des Themas - dann erste Instrumental-Taktgruppen und gesangliche Steigerung, wiehernd, krähend, krächzend, röchelnd, angeraut, zweifelnd, verzweifelnd, alles gebend, kollabierend, bis ein sehr ausgedehnter instrumentaler Abschnitt einsetzt.
Der untergliedert sich manchmal in eine allgemeine Instru'-Section und ein E-Guitar-Solo epischen Ausmaßes. Oft bricht die Gitarre direkt los. Die längsten solcher Soli messen 99 und 117 Sekunden Dauer ("Better Days Ahead" und "High Is Low"). Dann nochmal ein kurzer Vokal-Teil. Schließlich Abfahrt in ein weiteres Solo. "The Fertile Soil" ist das einzige Lied der LP, das nicht mit einem Gitarren-Feuerwerk endet, übrigens mit einem Schwenker des Chefs an die Mandoline. Hooklines sind in Trouts Verständnis offenkundig over-rated. Die Platte strengt jedoch trotz dieser fordernden Form nicht an.
Trout baut so viel Thrill auf, dass man wie von selbst bei der Stange bleibt. Zum Beispiel um zu erleben, was als nächstes passiert: Ob er losheult oder laut lacht, alles scheint hier möglich - diese CD ist explosiv. Auf "High Is Low" krakeelt der Blues-Zeremonien-Chef sich die geschundene Seele aus dem Leib - und zugleich die Euphorie darüber, dass er überhaupt (noch) am Leben ist.
Was die Spannbreite betrifft - emotional wie auch stilistisch - legt Trout auf den CD-Vorgänger "Ordinary Madness" sogar eine Schippe drauf. Shaky Rock'n'Roll ("Leave It All Behind", sportlich-elegant arrangiert), Soul-Schmeichelei ("Destiny"), Rockballaden-Diamant ("Follow You Back Home", mit Streichern, Orgel, Piano), stompender Southern Rock-AOR ("High Is Low", "I Worry Too Much"), Satriani-artige Elegie ("Waiting For The Dawn"), Jeff Healey Band stilistisch reloaded ("Better Days Ahead") - alles geboten!
Der 71-Jährige übertrifft noch einmal ein bisschen seine vorigen Leistungen. Sogar eine Entwicklung ist also erkennbar. Ein entscheidender Kniff liegt in der Dramaturgie: Den Closer, "Destiny", hat man sich irgendwie 'verdient', wenn man den heftigeren Stücken zuvor gelauscht hat. "Destiny" schafft es, das Album noch - tja - "abzubinden", um Anne Spiegels Unwort des Jahres mal zu gebrauchen. Hier passt es. "Ride" ist eine runde Sache. Steckt voller Katharsis. Ans Grafikdesign der Verpackung könnte man indes noch Hand anlegen.
Dass die Texte dann auch noch Sinn ergeben, dass sie gut Stimmungen beschreiben, dass sie essenzielle Gedanken ohne Phrasen-Blablu darlegen und dass sie aus dem Leben gegriffen sind - das alles verleiht der Scheibe den letzten Feinschliff. Unmittelbare Gefühlsechtheit verknüpft sich clever mit der spielerischen Umsetzung. Walter Trout gelingt ein erneutes Meisterwerk.
5 Kommentare mit 51 Antworten
Dadrock kommt hier immer gut an
„I like my music loud
I’m geriatric and I’m proud.
I’m a boomer and I’m OK.
I’m an OK boomer.”
(Walter Trout)
Das ist halt wirklich Musik für den lautuser, was für ein Schrott:
1/5 erste Bürgerpflicht!
Jeder hat seine eigene Meinung zur Musik ????.
Eine berechtigte Frage!
Das ist deine Meinung das die Musik ???? Schrott ist für mich ganz und gar nicht die Musik ???? ist Handgemacht.
Jede Musik ist handgemacht. Ohne Hände ist es nämlich etwas schwierig, Dinge zu machen.
Ja das stimmt schon die Musik ???? mit Gitarre ???? meine ich.
"Jede Musik ist handgemacht. Ohne Hände ist es nämlich etwas schwierig, Dinge zu machen."
Ich singe dir ein Lied mit meinen Fäusten
Trottel
Aha.
Muss ich das jetzt noch erklären?!
Bitte Wingo in Ruhe lassen. Er kann nichts für seine Behinderung.
"Muss ich das jetzt noch erklären?!"
Ich weiß nicht. Würde es mich interessieren? Ich vermute nicht.
"Ich singe dir ein Lied mit meinen Fäusten"
Damit Du sagen kannst es ist handgemacht?
Nein, es war ein Oxymoron, dass verdeutlichen sollte, dass nicht jede Musik handgemacht ist und dass Wingo mal ein paar vertragen könnte. Weitere handlose Arten Musik zu machen: Komponieren, Digeridoo, Musik durch Fußpedale aller Art, High Kicks gegen Wingos Kopf, Mundharmonika, Theremin. Per EEG kann mensch auch locker Klangerzeugung steuern.
Natürlich ist nicht jede Musik wörtlich "mit der Hand" gemacht. Mein Beitrag oben meinte, dass die Hände im Zuge der Musikperformance ein unabdingbares Hilfsmittel sind. Und selbst wenn du nur das Didgeridoo das im Stativ hängt bläst, muss irgendjemand seine Hände benutzt haben, um das Didgeridoo dort hinzustellen.
Zum Punkt Komponieren: Komponieren ist nicht gleich Performance, "Musik machen" bedeutet ja gemeinhin Musik spielen, nicht Musik komponieren.
Wingo auf dem stetigen Weg nach unten zuzuschauen ist irgendwie traurig, aber auch befrieidigend...
"Nein, es war ein Oxymoron, dass verdeutlichen sollte, dass nicht jede Musik handgemacht ist und dass Wingo mal ein paar vertragen könnte."
Genau wegen solcher Äußerungen kann ich dein fronting nicht ernst nehmen. Denn selbst wenn mir berechtigt die ein oder andere Schelle gebühren sollte - was natürlich nicht der Fall ist - wird sie mir am wenigsten durch dich Internetmaulheld zuteil werden. "Singe dir ein Lied mit meinen Fäusten" - am Arsch.
"Und selbst wenn du nur das Didgeridoo das im Stativ hängt bläst, muss irgendjemand seine Hände benutzt haben, um das Didgeridoo dort hinzustellen."
Dieses Zitat im Kontext der "handgemachten Musik" ist wirklich das Debilste, das Wingo in seiner - an debilen Momenten wahrlich nicht armen - Karriere hier zustande gebracht hat.
Abflug, Craze.
Wie findet ihr die Musik ???? von Walter Trout gut ???? oder nicht.
"Mein Beitrag oben meinte, dass die Hände im Zuge der Musikperformance ein unabdingbares Hilfsmittel sind. "
Gesang?
Valide. Punkt geht an dich.
"Nein, es war ein Oxymoron, dass verdeutlichen sollte"
heglüwu, du hast einen Fehler gefunden. Souli hat evtl jetzt ein Leckerli für dich.
Das neue Album Ride von Walter Trout ist meiner Meinung nach sehr gut ???? gelungen für mich die besten Lieder sind der Titelsong Ride, Follow You Back Home, High Is Low, Waiting for the Dawn und Leave It All Behind.
Gut, ich kläre auf bevor ich dann Richtung nächste Etappe Urlaub verschwinde. Fehler sind überhaupt kein Problem. Und bisher bist auch eher du damit aufgefallen, andere damit zu beleidigen, dass sie Rechtschreibfehler machen. Es geht eher um das feine Zusammenspiel zwischen "Oxymoron" und dem direkt darauf folgenden profanen das/dass-Fehler, der deine Doppelmoral so wunderschön aufzeigt und im Grunde eine spezielle Art von Lyrik damit offenbart - also quasi eine Metapher zu deiner intellektuellen Selbstwahrnehmung, die im Spannungsverhältnis zu deiner ideologischen Verblendung steht. Vielleicht taugt es ja zum nächsten dÄ-Intro. Ich fand das einfach unglaublich witzig. Vielleicht ist das auch einfach nur mein Humor, kann sein.
Es geht um minimalen Aufwand für eine feste Menge an Knechtung. Die Fehler sind mir egal.
Zu meiner intellektuellen Selbstwahrnehmung:
Ich habe viele Jahre meines Lebens die Fremdwahrnehmungen dazu nicht geglaubt, mich zurückgehalten, um nicht aufzufallen und davon Abstand genommen, irgendwelche klugen Sachen zu machen. Zum Glück ist das nun auch schon länger anders, ich weiß, was ich kann, und dass es einige Andere gibt, die viel mehr können, aber ich weiß auch, wo ich diese finde, und dass das nicht hier ist
Congratulations CAPS, Soulifizierung completed. You won Laut.de
Dank Fairi, ich möchter R1er danken und dem Gauger, außerdem natürlich Soulbum höchstselbst, dessen Elaborat stets ein Vorbild war — und ist, möchte ich hinzufügen — außerdem allen gromskies — fumilauni: expl — und allen Hohlbirnen, ohne deren Beitrag das gar nicht möglich gewesen wäre: Sancho, Spiegel, Die_Maren, peter.son, pikto, manback, Ragism, Wingo dem Cringster, wokboy, chrisnichtsgebacken, der Herr vom Feld, und allen anderen, die ich jetzt vergessen hab, außer dem Wiesel, das nicht. Vielen Dank!
"Zum Glück ist das nun auch schon länger anders, ich weiß, was ich kann"
unnötig fronten?
Der Titelsong Ride ist sehr gut, gives me chillin Vibes
Wo ist Ragism? 2/3 des Triumvirats der Idiotie sind nicht genug!!!
Wenn du schon so fragst - ja, du darfst meinen Platz übernehmen! Kann mir nur wenige Bessere vorstellen. Gönn dir!
heißt das... das du dich endlich löschen wirst?!? Oh Ragism... damit würdest du mich zum glücklichsten User von laut.de machen!
Tu es nicht Ragi! Jeder weiß, dasss diese Stalinisten sich dann ein neues Opfer suchen. Wir brauchen deine Teflon-Superpower.
Stalinisten? Ne, die meisten hier bedienen eher die Klischees der Wähler zwischen FDP und SPD. Mit dem gelegentlichen Troll vom Dritten Weg. Aber die Funktion als scharlachrot Bebuchstabter behalte ich, sonst mobben die tatsächlich noch jemand Hilflosen
#unbesiegt
"Stalinisten" als kleiner Saitenhieb was den Verfolgungsdrang "politischer" Gegner angeht
Hm. Bin ja seltenst ein politischer Gegner. Checkt so mancher vielleicht nicht. Eher wegen Praxisorientierung eine besonders rote Socke. Aber klar, Gruppenverhalten ist sehr stark hier, wie bei jeder Truppe, die lange genug aufeinander hängt.
Wenns um politische Gegner geht, dann sind das idR. die Leerdenker und Nazitrolle, und dann ist das Draufkloppen eher ein Schlagen mit eigenen Waffen. Alles Andere wäre Verschwendung.
Also ich wäre Stalinist.
Für mich ist das neue Album Ride von Walter Trout zu Empfehlen. Klar hat jeder dazu eine andere Meinung.
Weil das noch echtes, handgeschnitztes Qualitätshandwerk ist.
Es wäre ja vielleicht noch lustig, wenn du nicht selbst den größten Rotz hören würdest.
Dieser Kommentar wurde vor 2 Jahren durch den Autor entfernt.
Die Beiträge von Jeude Facebooki lese ich hier mit am liebsten.
????
Werde auch zum Fan. Bester User seit ElMassivo.
Darf ich nicht meine eigene Meinung zum Album haben.
Ganz sicher, daß es Deine eigene ist?
Wie schon geschrieben ich kann das Album weiterempfehlen.
Danke für den Tipp, Jeudi. Aus meiner Bluesrockphase bin ich zwar lange, lange raus, aber der Walter ist immer noch mit Elan und Schmiss dabei. Gut für ihn.
Ja macht es den jungen ???? Gitarristen vor das man noch im hohen Alter gut ???? sein kann.
@Jeude Facebook
Stört Dich denn die schwankende Klangqualität überhaupt nicht bei dem Album?
wenn man Gitarre spielen kann, und Blues ala Peter Green zum Besten gibt, kann man gar nicht verlieren.