laut.de-Kritik

Eine Verneigung vor dem Schaffen von Portishead.

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Von Kurzschluss-Reaktionen und übers Knie gebrochenem Aktionismus halten die vier Mädels von Warpaint nur wenig: "Wir wollten uns nach dem Debütalbum als Gruppe finden. Wir haben gemerkt, dass so etwas nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen ist, also haben wir uns dementsprechend Zeit genommen", verrät Sängerin Theresa Wayman im Interview.

Sage und schreibe fast vier Jahre zogen letztlich ins Land, ehe sie den künstlerischen Selbstfindungsprozess abschlossen. Ein Jahr sei allerdings komplett im Wartezimmer von Produzent Flood (PJ Harvey, Nick Cave) draufgegangen, so die Band.

Doch wenn man weiß, was man will, dann harrt man eben aus. Dafür dürfen sich die Damen aus Los Angeles dieser Tage anerkennend gegenseitig auf die Schenkel klopfen. Bereits der instrumentale Opener, der den Hörer mit groß angelegten Gitarren- und Synthieflächen in Mogwai-Welten katapultiert, entlohnt nahezu für jede Minute des monatelangen Wartens.

Doch das ist erst der Anfang. Mit den melancholischen "Keep It Healthy" und "Love Is To Die" bitten Emily Kokal, Theresa Wayman, Jenny Lee Lindberg und Stella Mozgawa zum Tanz und legen eine ordentliche Sphären-Schippe drauf. Wie schon auf dem Debütalbum verschmelzen zahllose unterschwellige Gitarren- und Keyboard-Melodien zu einem in sich stimmigen Seufzer-Paket, während sich betörend vorgetragene Emotions-Coming-Outs wie flauschige Teppiche über das Ganze legen.

Wer jetzt noch nicht träumt, der entschwindet spätestens mit dem anschließenden "Hi" in narkotisierende Welten, wenn sich das Quartett mit viel Liebe zum Detail vor dem Schaffen von Portishead verneigt.

Auch "Teese", "Drive" oder das finale Klang-Betthupferl "Son" lassen Beth Gibbons-Herzen höher schlagen. Trotz des fast durchgehenden Mix' aus psychedelischen Soundscapes und elektronischen Zwischensequenzen vermitteln Warpaint ein kompaktes und organisches Live-Feeling.

Mit Ausnahme des etwas uninspiriert vor sich her dümpelnden Fillers "Biggie" sowie dem anstrengenden Psycho-Tänzer "Disco // Very" beeindrucken die Kalifornierinnen auf ihrem zweiten Album mit einem ausgeprägten Gespür für atmosphärische Langzeit-Harmonien, die im Verbund mit bittersüßen Out-of-Space-Strukturen jeder noch so grauen Wolkendecke ein erhellendes Grinsen entlockt. Bleibt nur zu hoffen, dass sich das Quartett für seinen dritten Streich nicht wieder vier Jahre Zeit lässt.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Keep It Healthy
  3. 3. Love Is To Die
  4. 4. Hi
  5. 5. Biggie
  6. 6. Teese
  7. 7. Disco // Very
  8. 8. CC
  9. 9. Drive
  10. 10. Son

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9 Kommentare mit 3 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    Wie auch das Debut hat auch ihr zweites Werk starke Songs auf Lager. Jedoch war mir das Hoeren zu anstregend und ich war froh als es zu Ende war. Vll war meine Aufmerksamkeitsspanne an dem Tag nicht groß genug. Muss wohl nochmal reinhoeren.

  • Vor 10 Jahren

    Ich bin ein großer Fan des Debütalbums, was die dunkele Atmosphäre vieler 80er Bands mit wunderschönen Melodien verbunden hat, aber nach dem ersten Durchlauf hat ich das gleiche Gefühl wie Mister X. Atmosphäre steht sehr viel stärker im Vordergrund und die Melodien wurden zurückgeschraubt. Aber naja, schien mir unglaublich viel Raum nach oben zu haben. Jetzt muss ich nur noch auf die Post warten...

  • Vor 10 Jahren

    Hab es jetzt sechs-sieben Mal gehört, für mich ist es stärker als der Vorgänger. Würde 4,5 Sterne geben, wenn es aber weiterwächst wie bisher sind auch fünf Sterne drin.

  • Vor 10 Jahren

    Also, habe die Platte jetzt auch und erst mal Daumen hoch für's Artwork. Eine der wenigen Cunningham-Sachen, die tatsächlich mehr das Künstlerego des/der Auftragsgeber unterstreichen als das von Cunningham selbst.
    Die Songs wirken greifbarer, kompakter, weniger beliebig. Dass sie jetzt auch den Mut haben zu grooven zeigt ein Song wie disco//very.
    Man sollte die Platte allerdings nicht im Rahmen des hier geführten Portishead-Vergleichs hören - musikalisch ist da quasi überhaupt keine Schnittmenge. Sollte es jedoch eher um die Intensität, um den mitreißenden Strom, den einige Songs um den Hörer herum entspringen lassen, gehen - auf der Ebene hinkt er etwas weniger. Aber wer hier reinhört mit der Erwartung, eindeutige Brücken zur Musik Portisheads oder zur Stimme Beth Gibbons vorzufinden, der kann in der Tat nur herbe enttäuscht werden.
    Starker Zweitlng der All-Girl-Combo, der mit jedem Durchlauf wächst momentan...

    • Vor 10 Jahren

      Künstler-Analogien sollten generell unterbleiben, weil damit allzu leicht falsche Erwartungen (seien es Hoffnungen oder Befürchtungen) geweckt werden.

  • Vor 10 Jahren

    Ein Hammer von Album. War ebenfalls etwas "entäuscht" nach den ersten 2-3 Durchläufen, aber wenn man der Platte Zeit lässt, dann wird sie immer stärker.

  • Vor 9 Jahren

    Es hat für meine Top 20 gereicht (Platz 19) :)