laut.de-Kritik

Teenager zwischen Subjekt und Ideenerfüllung.

Review von

Ist der Teenager ein historisches Subjekt oder bloß Erfindung der Kulturindustrie? In "Teenage: The Creation of Youth Culture" (2007) diskutiert der britische Pophistoriker Jon Savage, ob der Begriff auf das US-amerikanische Bemühen nach dem Zweiten Weltkrieg zurückgeht, Faschismus bzw. Kommunismus via konsumistischer Jugendkultur Einhalt zu gebieten.

Immerhin, da hat Savage recht, war der Look zur Abgrenzung vom Establishment lange Zeit nur gegen nicht wenig Taschengeld zu haben. Selbst den Gegenkulturen von Hippies und Punks kann man streng genommen die Preisschilder an Kleidung und sonstwie konsumierbaren Substanzen vorhalten. Wo hört die systemaffirmatorische Geste auf, wo fängt jugendlicher Nihilismus an?

Wavves, das Ein-Punk-Aufbegehren des 22-jährigen Nathan Williams aus San Diego, liefert auf solche Fragen keine eindeutigen Antworten. Dafür enthält sein zweites Album einige Indizienbeweise gegen den Gedanken, die Verwertungslogik sei a priori das dominierende Konstitutionsmerkmal jeder Popmusik.

Ein Slacker vor dem Herrn, prügelt Williams in seinem Schlafzimmer seit einigen Jahren schrottigen, verwaschenen, übersteuerten NoFi-Beach Punk auf Kassetten. Keine Produktion, kein Mastering, kein Zubehör außer Stimme, Gitarre nebst Verzerrer und jedem Schlagwerk-tauglichen Gegenstand in Greifweite. Durch weißrauschenden Powerchord-Fuzz jault und nölt er Phrasen über Mädchen, Gras und Trash (Dämonen, Goths).

Dieser Shitgaze eignete sich in seiner jungenhaften Selbstbezogenheit hervorragend als Score für Larry Clarks Skater-Observationen einer richtungslosen, gelangweilten Generation ("Kids"). "Got no car, got no money, got no girlfriend" - nur die üblichen Wirrungen der Adoleszenz also, übersetzt in Untergrundpop? Zweifel sind angebracht.

Zum einen gewinnt das Thema Jugend dank Williams' kompromissloser D.I.Y.-Attitüde wieder an Frische. Seinen an sich sehr simplen, dröhnenden Noise weicht er immer wieder mit Psychedelic, Beach Boys-Harmonien und Liars-No Wave auf. Ironisierend gesetzte Uuuuuuhs und Aaaaaahs machen allzeit spürbar, wie zerrissen sich eine Jugend zwischen glorreichen days of being wild unter kalifornischer Sonne und kapitulierender Egalhaltung anfühlen kann. Damit bildet Wavves nicht nur akustisch ein Gegenstück zu Conor Obersts Noiserock-Projekt Desparecidos (2002), das Lärm und Veränderungswillen noch untrennbar zusammendachte.

Zum anderen steht Williams' Hang zur Selbstzerstörung konträr zum Verdacht, hier lediglich dem kulturindustriellen Komplex beim Wiederkäuen rebellischer Posen beizuwohnen. So geriet ein Festivalauftritt in Barcelona unlängst zur Katastrophe, weil die Performance unter einem Drogencocktail aus Valium, Ecstasy und Alkohol zusammenbrach. Dem Wavves-Kopf war hinterher alles furchtbar peinlich. Er verblieb in der Hoffnung, seiner Glaubwürdigkeit dadurch keinen dauerhaften Schaden zugefügt zu haben.

Trackliste

  1. 1. Rainbow Everywhere
  2. 2. Beach Demon
  3. 3. To The Dregs
  4. 4. Sun Opens My Eyes
  5. 5. Gun In The Sun
  6. 6. So Bored
  7. 7. Goth Girls
  8. 8. No Hope Kids
  9. 9. Weed Demon
  10. 10. California Goths
  11. 11. Summer Goth
  12. 12. Beach Goth
  13. 13. Killr Punx, Scary Demons
  14. 14. Surf Goth

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22 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    @Sordos (« Lasst ihn erstmal Geld sehen, ist wie bei wirklich jedem so. fußballer hören auf sich anzustrengen sobald sie Geld sehen, Musiker die sich vorher auf ihre Unbefangenheit, eigenes Ding etc. beziehen wollen auch lieber mal in nem richtigen Studio, reine unverwaschene Klänge aufspielen und prompt ist dass was sie da abliefern auch nicht mehr so extrem symbolisch und voller Botschaften ^^ »):

    das kann man nicht verallgemeinern aber trifft schon oft zu

  • Vor 15 Jahren

    Nathan kann übrigens bei einem Benefizkonzert für einen Skatepark nicht spielen, weil er sich beim skateboarden das Handgelenk gebrochen hat.

    "Ironic I miss the skatepark benefit because I broke my wrist skateboarding."