laut.de-Kritik

Westküstenrap für Regentage.

Review von

Westside Boogie haben Fans von ernsten und atmosphärischen Stimmen schon seit einer Weile auf dem Schirm. Lyrisch begabt und introspektiv ist der Westküsten-MC mit seinem inzwischen zweiten Album bei Shady Records weiterhin auf der Suche nach seinem "Good Kid Maad City". "More Black Superheroes" bildet die Gewaltspirale ab, die zwischen Gang-Gewalt, dem modernen Amerika und persönlichen wie strukturellen Verfehlungen auf der schwarzen Familie lastet und sehnt sich nach ebenjenen Superhelden, die dieses System durchbrechen. Es ist sein atmosphärisch bisher stärkstes Projekt.

Das Intro "Killa Mode" fasst im Grunde das Kernproblem des Albums in einer Line zusammen: "I'm hurting, so I might as well hurt you". Westside Boogie, ehemals Boogie, hatte schon immer Songs über Beziehungen und Bedürfnisse, in denen er überhaupt kein Problem damit hatte, auch die negative Seite zu erkunden. Man könnte das als Studien von toxischer Männlichkeit verstehen, nur eben aus einer Praxis gedacht, die aus männlicher Perspektive natürlich sehr viel besser verstehen, wie man wieder und wieder in dieser Position landet, und dass es manchmal gar nicht so einfach ist, diesen Kreislauf zu verändern. Songs wie "Nonchalant" und "Can't Even Lie" halten fest, "think that I'm toxic, can't even lie".

Die Frustration und die Selbstzweifel, die dadurch entstehen, dass das Weltbild väterlicherseits in solchen Momenten immer wieder scheiternd aufläuft, arbeitet er dabei schön heraus. Dass er immer wieder sich selbst für das Scheitern von seinen Beziehungen verantwortlich machen muss. Gekoppelt an die warme, organische Produktion wirkt wie Nieselregen-Boom Bap, manchmal richtig aufwändig aufgekämmt zu spannenden Solos oder perfekt melancholischen Loops. Am Ende von "Can't Get Over You" bäumen sich die orchestralen Strings auf, "Lolsmh 2" dagegen klappt den Beat zwischen zwei brettharten Loops um.

Das ist handwerklich und musikalisch eine wundervolle moderne Aufarbeitung der Grundformel der Rapmusik. Kein Wunder, dass ein Veteran wie Snoop Dogg sich für einen Westküsten-Bruder im Geiste zu einem seiner seltenen wirklich richtig geilen Verses hinreißen lässt. Und die Kredibilität kommt nicht nur daher, dass er wirklich weiß, wovon er redet, wirklich Scheiße gesehen hat, sondern dass er auch das handwerkliche Know-How mitbringt. Auf einem Song wie "Stuck" zeigt er einen spektakulären Flow, und trotzdem zeigt er im Laufe von "More Black Superheroes", dass er bereit ist, nicht für den Flex zu rappen, sondern seine Skills den Bedürfnissen der Songs unterzuordnen.

Tatsächlich geht das in der zweiten Hälfte des Tapes sogar ein bisschen zu weit, denn wenn das Tape eine Schwäche hat, dann liegt das in den Features. Die kommen nicht nur ein bisschen wahllos in Form von Leuten wie Soulja Boy oder Big Baby D.R.A.M., oft positioniert sich Boogie dann auch als Kurator und trägt zu den Songs nichts weiter als einen gesungenen Refrain bei. Und seine Gesangs-Skills mögen nicht furchtbar sein, aber ein bisschen fühlt sich das doch an, als würde man Miroslav Klose in die Innenverteidigung stellen, wenn er singend fähige Leute anmoderiert. Und klar, Verses von Smino oder dem stets unterschätzten Kalan.frfr kommen schon gut, aber im Rahmen eines Tapes, das so konzeptuell und introspektiv angefangen hat, klingen diese Songs ein wenig zusammengetackert, als wäre die Hauptsache, man könnte sich die Namen in die Tracklist schreiben.

Das ist dann auch der Punkt, an dem "More Black Superheroes" die Abzweigung zur richtigen Großartigkeit verpasst. Er wollte offensichtlich sein konzeptuell-introspektives Meisterwerk nach dem bereits starkem "Everything's For Sale" liefern, aber kriegt es inhaltlich nicht komplett zur Meisterkür durchgezogen. Aber das ist nun schon Mäkeln auf sehr hohem Niveau: Denn sonst findet sich hier eine Weiterentwicklung auf fast jedem Level, die Produktion klingt stimmig und ambitioniert, seine Flows gehören zu den besseren in der Szene zur Zeit, und die Themen, über die er nachdenkt, könnten relevanter nicht sein.

Trackliste

  1. 1. Killa Mode (feat. Storm Ford)
  2. 2. Stuck
  3. 3. Nonchalant (feat. Mamii)
  4. 4. Lolsmh II
  5. 5. Can't Even Lie (feat. Soulja Boy)
  6. 6. Prideful II
  7. 7. Aight (feat. Shelley FKA Dram)
  8. 8. Can't Get Over You (feat. Smino & Teezo Touchdown)
  9. 9. Ratchet Roog - Interlude
  10. 10. Something Strange (feat. Kalan.Frfr & Mamii)
  11. 11. Windows Down (feat. Snoop Dogg)
  12. 12. Anthony (War)

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