laut.de-Kritik
Kein Allstar, sondern der Glue Guy.
Review von Merlin Engelien... und es geht munter weiter mit dem Griselda-Release-Gewitter. Ursprünglich sah der Plan vor, die Projekte von Boldy James, Armani Caesar, Conway The Machine, Westside Gunn und Benny The Butcher in aufeinander folgenden Wochen zu veröffentlichen, doch unter anderem wegen des Todes von Griselda-Mentor und Tour-DJ Shay verschob sich alles. Man munkelt allerdings auch, dass sowohl Conway als auch Westside Gunn beide mit ihren Shady-Debütalben lange nicht zufrieden waren.
Der Deal mit Shady Records ist ja eigentlich schon seit Jahren in trockenen Tüchern. "Who Made The Sunshine" ist nun allerdings erst das zweite Release (nach "WWCD" Ende 2019), das auf Eminems hauseigenen Label erscheint. Das Cover wirkt nicht nur kindlich-naiv: Gestaltet hat es Westside Gunns siebenjährige Tochter Westside Pootie. Im Outro zum Song "Lessie" kommt sie zu Wort, wie auch schon auf anderen Alben ihres Vaters. Hört sich dieses Mal sogar fast nach Bars an: "I'm seven years old, eatin' from one hundred dollar plates, y'all don't know what that taste like", spielt sie auf den sich mehrenden Reichtum ihres Vaters an.
Nach einleitenden Intro-Worten von AA Rashid fällt direkt das Dreigespann aus Westside Gunn, Conway und Benny in "The Butcher And The Blade" über einen her. Die wilden Piano-Arpeggios aus der Feder von Daringer und Beat Butcha kennt man bereits so oder so ähnlich von anderen Griselda-Alben. Nichtsdestotrotz befindet man sich auch hier direkt wieder mitten im grimmigen Coke-Bar-Milieu. Die hier beheimatete Marching-Band scheint allerdings nur aus einem schiefen Glockenspieler und einem humpelnden Drummer zu bestehen. In "Ishkabibble's" läuft diese nämlich scheinbar draußen am Fenster vorbei, begleitet von Black Thoughts Street Knowledge: "Heron could cop a fake rhyme, but he pushin' neon, this coke'll knock the face off the Sphinx like 'Leon."
Das sanfte Instrumental von "All Praises", produziert von The Alchemist, ist auf jeden Fall eine Sternstunde dieses Albums. Nicht nur, weil man nach langer Zeit endlich wieder Alchemists Producer-Tag hört. Alc und Boldy James harmonieren einfach perfekt, wie schon auf "The Price Of Tea In China". Auch Jadakiss passt zeitlos auf diesen Beat. Einzig Westside Gunns schiefer Refraingesang wirkt störend - mal wieder. Im krassen Kontrast dazu beweist Armani Caesar im Track "Liz Loves Luger" singend ihre Vielseitigkeit. Ihre Neo-Soul-Vibes stechen auf jeden Fall hervor. Anders als Westside Gunns Vers, der direkt aus einem billigen Porno entsprungen sein könnte. Zitate erspare ich uns allen.
Busta Rhymes kennt man ja eigentlich nicht auf so richtig langsamen, schleppenden Beats wie in "Ocean Prime", aber das scheint ihn gar nicht weiter zu stören. Mit seiner wilden, unnachahmlichen Art und passenden Adlibs macht er sich den Beat zu eigen. Dabei stellt er nicht nur Westside Gunn, sondern auch Altmeister Slick Rick in den Schatten. Letzterer glänzt aber wiederum im vorletzten Track "Good Night" und zeigt sich von seiner besten Storytelling-Seite. Tut gut, Slick Rick mal wieder in Hochform zu erleben.
Apropos Hochform: Was Conductor Williams mit "Frank Murphy" für ein schiefes Wunderwerk gebaut hat, darf man getrost hervorheben. Vielleicht erinnert sich manch einer noch an die Sporkys aus "Yoshi's Island"? Wenn man diese berührt hat, verfiel Yoshi in eine Art Rausch, der ganze Bildschirm wurde verschoben, verzerrt und unkontrollierbar, auch die Musik wurde schief, wabernd, verrückt. So klingt dieser Beat und vereint Stove God Cooks, Estee Nack, Smoke DZA, Flee Lord und Westside Gunn auf einer Art Posse-Track, auf dem jeder Protagonist makellos flowt. Achtminütiges Highlight!
Doch es ist nicht alles golden auf "Who Made The Sunshine". Westside Gunn verlässt sich bei der Produktion weitestgehend auf Daringer und Beat Butcha. Sieben von elf Liedern produzierten die beiden. Dabei setzen sie größtenteils auf Altbewährtes. Was auf "WWCD" noch öfter frisch klang, wirkt auf diesem Projekt aufgewärmt und recyclet. Sicherlich liefern die beiden stabile Arbeit, aber die Producerglanzpunkte liegen glasklar bei Alchemist und Conductor Williams.
Damit zurück zum Anfang, zur Unzufriedenheit von Conway und Westside Gunn, denn die Krankheit von diesem Shady-Debüt hat einen Namen: striktes Sampleverbot. Normalerweise die Stärke schlechthin von Daringer, obskure Loops auszugraben und düstere Beats daraus zu bauen. Das Majorlabel erlaubt soetwas nicht, und man spürt deutlich, dass die beiden hier trotz all der Mühen an gewisse Grenzen stoßen. Eine größere Auswahl an Produzenten hätte dem Album sicherlich sehr gut getan.
Zum Glück gerät das abschließende "98 Sabres" mehr als versöhnlich. Auf einem weiteren Highlight-Beat von Just Blaze zeigt die fast komplett vereinte Griselda-Elite aus Armani Caesar, Westside Gunn, Benny, und Conway noch einmal, wozu sie fähig ist. Nur Boldy James bleibt in weiser Voraussicht außen vor. Der Beat hat einfach nicht zu ihm gepasst.
Insgesamt lebt dieses Projekt von seinen Features. Westside Gunn ist nicht der Allstar, der immer der Scoring-Leader des Teams ist. Er fungiert als der Glue Guy, der alles zusammenhält, der harte Rebounds holen kann, der immer wieder gute Momente hat, der wichtige Punkte holt, und ab und zu eine Playoff-Serie entscheidet, der aber vor allem Assists sammelt und unterstützt. Und das auf seinem eigenen Album. Es gibt nur einen einzigen Solo-Track auf dieser Platte: "Big Basha's". Es ist mit Abstand der kürzeste Song, und das spricht Bände.
3 Kommentare
Der soll bitte endlich das mit dem Singsang sein lassen. Bei den meisten Rappern geht das ja klar, wenn mal so eine halb gesungene Hook kommt, aber bei Westside Gunn ruiniert das tasächlich die Tracks. Der braucht nur irgendeine Silbe ein wenig in die Länge ziehen, selbst das könnte schiefer nicht rauskommen... Kann mir den deshalb auf Albumlänge meist nicht geben. Eigentlich schade drum!
Alben mit jeweils nur einer Strophe des eigentlichen Interpreten pro Song hass ich ja seit jeher. Aber so wird es natürlich noch fixer hingeschissen und man kann den Output eng getaktet halten. Hört man dann halt auch. Eher ne Compilation.
Westside Gunn hat ja nie einen Hehl daraus gemacht, dass er nicht die maximalen Ambitionen als Rapper hat. Wenig Dr. Dre Verses machen die Chronic Alben auch nicht schlechter.
Trotzdem begeistert mich dieses Werk nicht besonders. Was eben auch an der Erwartungshaltung liegt. Ausgehend von den Mixtapes dachte man "Wenn das nur die Mixtapes sind, wie klingt dann erst das Debütalbum". Und jetzt sind die Alben von Conway und Gunn da, und es wirkt ein wenig so, als wäre den Jungs schon die Luft ausgegangen. Als hätte man sich nicht die letzten Jahre das Beste für die Alben herausgepickt, sondern eher versucht, den alten Trick mit müden Knochen nochmal für ein größeres Publikum aufzuführen. Herausstechen tut da nur noch Frank Murphy, was für mich aber die Grenze von "rau" zur akustischen Körperverletzung überschreitet, trotz der illustren Runde.
Interessant auch, dass der Fly God als einziger am mühsam etablierten Soundbild festhält. Conway war beim letzten Album schon deutlich konventioneller unterwegs und Benny hat - zu meinem Entzücken - Freude am Dipset Mixtape Sound der 2000er gefunden.