laut.de-Kritik

Gemeinsam ausbrechen aus einer verkorksten Realität.

Review von

In einer Zeit, in der Anonymität das gesellschaftliche Miteinander bestimmt, in der eine bedingungslose Verbrüderung allenfalls als verklärte Vision durchgeht, rufen While She Sleeps zur ultimativen Solidarisierung auf: "You Are We". Gewagte Worte, die schnell zum blutleeren Pathos verkommen.

Das Quintett aus Sheffield hat die spielerische Klasse, sich auf diesem dünnen Eis zu bewegen, ohne kläglich einzubrechen. Zudem fließt das nötige Herzblut durch ihre Venen, um eine so ambitionierte Überzeugung glaubwürdig an den Mann zu bringen.

Zu Beginn scheint der Plan tatsächlich aufzugehen, so tief brennt sich Loz Taylors Schlachtruf ein, nachdem ihm ein andächtiges Akustik-Intro die Bühne bereitet hat. Fein abgestimmte Gitarren-Pickings ebnen den Weg für einen fulminanten Prolog. Während sich die Nackenhaare aufstellen, ist man fast geneigt demütig zu nicken: "We've got nothing to lose".

Mal ungestüm tobend, mal beherrscht und voller Anmut zieht einen der Titeltrack vom Anstoß weg in seinen Bann. Die organische Härte des Vorgängers "Brainwashed" ist zugunsten gewaltiger Chor-Melodien weiter zurückgewichen. Auch drängen sich, besonders im folgenden "Steal The Sun", hektische, beinahe im Crossover-Stil gerappte Einlagen ins Ohr.

So vernichtend dieses Prinzip zu Beginn einschlägt, so sehr verliert es im Laufe der Spielzeit an Wirkung. Strophen, die zu sehr nach einer härteren Bring Me The Horizon-Variante klingen ("Empire Of The Sun") oder "Oh Oh"-Hymnen, die auf Teufel komm raus, ein "Wir-Gefühl" ("Feel") heraufbeschwören, entzaubern den Hype vorerst. Vielerorts fehlt die wachrüttelnde Urgewalt.

Es sind die schablonenhaften immer gleichen Strukturen, mit denen sich das Metalcore-Kommando zuweilen selbst ausknockt. Wie sich die Antennen wieder auf Empfang polen lassen, zeigt die Kooperation mit den eben genannten Bring Me The Horizon, in Gestalt von Oli Sykes. In loving memory an alte Death-Core Orgien darf der zu "Silence Speaks" noch mal so richtig eskalieren.

Das Feature trifft genau den richtigen Ton zwischen Ruhe und Sturm. Da passt einfach vieles, allen voran das Picking-Feuerwerk zum krönenden Abgang. Einzig bei "Hurricane" gelingt das auf ähnlichem Niveau. Diesmal sogar fast episch in Szene gesetzt.

Der Grund, warum While She Sleeps zum Ende die Kurve kriegen, liegt allein darin begründet, dass sie ihr Leitmotiv "You are We" nie naiv vor sich herschieben. Ganz im Gegenteil legen Tracks wie "Revolt" oder "Civil Isolation" schonungslos Störfelder im Gesellschaftsbild offen.

Endlich krachts auch wieder im Circle-Pit. Besser spät als nie bringt "In Another Now" den Mosh mit drückendem Beat in Wallung. Was da drum herum an klangvollen Ornamenten mitgeliefert wird, ist erste Sahne.

Zuweilen lässt einen dieses verdammte "You Are We" in Skepsis zurück. Am Gewicht dieses noblen Vorsatzes müssen sich die Insel-Metalheads messen lassen. Am Ende steht die Sehnsucht, gemeinsam aus einer verkorksten Realität auszubrechen. Die kann niemals falsch sein.

Trackliste

  1. 1. You Are We
  2. 2. Steal The Sun
  3. 3. Feel
  4. 4. Empire Of Silence
  5. 5. Wide Awake
  6. 6. Silence Speaks (feat. Oli Sykes)
  7. 7. Settle Down Society
  8. 8. Hurricane
  9. 9. Revolt
  10. 10. Civil Isolation
  11. 11. In Another Now

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