laut.de-Kritik

Eine halbe Stunde Corona-Eskapismus.

Review von

Coveralben wirken häufig eher wie eine Fingerübung, lassen sich wohlwollend als Huldigung der Vorlagen deuten und erwecken nicht selten den Anschein, als schnelle Geldquelle produziert worden zu sein. Ausnahmen gibt es natürlich: Die äußerst sympathischen Whitney nehmen sich auf "Candid" zehn Songs von verschiedensten Künstlern vor und kleiden sie in ihr sonnendurchflutetes Folkpop-Gewand. Das wird niemals wahnsinnig spannend, aber die Band bietet mit ihren bestens aufgelegten Versionen eine halbe Stunde angenehmen Corona-Eskapismus.

Aus der Pianoballade "High On A Rocky Ledge" von Moondog, dem smoothen R'n'B von Kelela oder dem Art-Pop von David Byrne machen die Chicagoer ihre ganz eigene Art von Wohlfühlmusik. Dass das Gros der Songs eher unbekannte, obskure Titel sind, trägt dazu bei, dass sich die Stücke noch mehr wie Whitney-Songs anfühlen. Die Truppe präsentiert sich genau so, wie man sich eine Indiefolk-Band vorstellt.

Um sich davon ein Bild zu machen, muss man sich nur das Video zu "No Woman" angucken, in dem tatsächlich keine Frau auftritt. Dafür einige Männer, die in hippen Klamotten im Wald rumhängen und ihren Song vor einer urigen Hütte performen. Auch die Tracks auf "Candid" evozieren solche Bilder, vermitteln Ruhe, lassen einen an Wälder denken und in diesem seltsamen Sommer ein bisschen mehr entspannen und genießen. Whitney klingen zugleich zeitlos und wie geschaffen für dieses stressige Jahr.

Schon die ersten luftigen Pianoakkorde von "Bank Head", dem Kelela-Song, unterlegt nur mit einer durchgehenden Bassdrum, stimmen auf die folgenden, knapp dreißig Minuten ein. Das Stück beweist, dass R'n'B und Folk gar nicht so weit auseinanderliegen. "A.M. AM" von Damien Jurado bauen Whitney um ein prägnantes Gitarrenmotiv, während Julien Ehrlich mit seinem angenehmen Falsett darüber haucht. Die Songs erinnern in ihrem klanglichen Optimismus ohnehin oft an Jurados fabelhaftes Album "The Horizon Just Laughed".

Aus David Byrnes "Strange Overtones" machen sie einen wahnsinnig eingängigen Popsong, mit Gute-Laune-Bongos und einem stimmigen Pianosolo. Wo Byrne oft ins Fordernde, Anstrengende abdriftet, gerät die neue Fassung ganz unaufdringlich. Akustikgitarren sind aber immer wieder Fixpunkt der Whitney-Versionen, etwa bei "Crying, Laughing, Loving, Lying", den die groovende Rhythmussektion vor drohender Langeweile rettet. Das Original von Labi Siffre, ein schöner Folksong, kann mit der Poppigkeit der neuen Version nicht mithalten.

Selbst "Take Me Home, Country Roads" verwandeln Whitney mit Unterstützung von Waxahatchee in beschwingten, souligen Softrock. "Rain", im Original von SWV, weckt Erinnerungen an Unknown Mortal Orchestra, bei denen Ehrlich ehemals Schlagzeug spielte. Die Band selbst lässt verlauten, sie hätte sich mit der Songauswahl fordern wollen. Bei all der Gelassenheit, die die Cover vermitteln, müssen die Tracks, die Whitney fordern, aber wohl erst noch komponiert werden. Die zehn Stücke wirken vollkommen unberührt von all der Hektik und Ungewissheit, die 2020 mit sich gebracht hat. Manchmal tendieren sie aber doch schlicht zu sehr in Richtung Easy-Hintergrund-Listening.

Trackliste

  1. 1. Bank Head
  2. 2. A.M. AM
  3. 3. Take Me Home, Country Roads feat. Waxahatchee
  4. 4. High On A Rocky Ledge
  5. 5. Something Happen
  6. 6. Strange Overtones
  7. 7. Hammond Song
  8. 8. Crying, Laughing, Loving, Lying
  9. 9. Rain
  10. 10. Rainbows And Ridges

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LAUT.DE-PORTRÄT Whitney

Man nehme einen singenden Drummer, ein Stück Smith Westerns, ein weiteres Stück Unknown Mortal Orchestra, eine gemeinsame WG und jede Menge Chicago-Flair.

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