laut.de-Kritik

Hipster-Chic meets Grunge-Nostalgie.

Review von

Auf Wolf Alices Schultern lastet mal wieder das Gewicht eines britischen Hypes. Ihre erste Soundcloud-Veröffentlichung "Leaving You" landete 2012 direkt auf dem Radar von BBC Radio und dem NME. Seitdem hat der Rummel um das Quartett kaum nachgelassen. Aus der Ruhe bringen ließen sie sich davon nicht, die Songs ihres Debüts "My Love Is Cool" sammelten sie über zwei Jahre zusammen.

Als Produzenten holten sie sich Mike Crossey an Bord, der für den Bereich "next big thing" quasi eine sichere Nummer ist. Immerhin hatte er unter anderem bei den ersten beiden Alben der Arctic Monkeys und Foals, Jake Bugg oder Dan Croll die Hände im Spiel. Mit seiner Hilfe wagen sich Wolf Alice an ein Pop-verbandeltes Grunge-Revival.

Wenn rauschende Gitarren auf Sängerin Ellie Rowsells rotzige Lyrics treffen, etwa in "You're A Germ" oder "Giant Peach", referenzieren sie den 90er-Sound von Bands mit präsenten Frontfrauen wie Hole, Elastica oder eine Prise Le Tigre. Die Londoner sind aber kein Abklatsch dieser Gruppen, die zu einer Zeit aktiv waren, in der die Mitglieder von Wolf Alice wohl gerade ein paar Schritte laufen konnten.

Dafür sind die Melodien zu eingängig und das Soundbild zu modern, was man besonders beim langsam wogenden Opener "Turn To Dust" oder dem elektronisch-zirpenden "Soapy Water" heraus hört. Die Briten setzen zum Sprung in den Downbeat-Pop der Gegenwart an, nur mit einer etwas rockigeren Note.

Der Wechsel von ruhigen und lauten Momenten passt zum textlichen Inhalt: Es geht um das Ende der Jugend ("Silk"), Liebe ("Lisbon") und Zweifel ("The Wonderwhy"). Klassische Themen für eine Twentysomething-Band also. Durch ihre offene Art und das Gefühl, Teil einer eingeschworenen Gemeinde zu sein, halten Wolf Alice ihre Hörer bei der Stange.

Die verschwurbelten Sommergitarren in "Bros" widmet Rowsell der besten Freundin, mit der sich alles bewältigen lässt, selbst der schlimmste Haarschnitt: "Remember when we cut our hair? / We both looked like boys but we didn't care / Stick it out together like we always do / Oh, there's no one, there's no one quite like you". "Freazy" ist die knackige, Drum-lastige Bandhymne, die Hatern eine Abfuhr erteilt und alle anderen einlädt: "Did you really wanna ... with Alice? / Did you really wanna ... with the wolf? / You can hate us all you want, but it don't mean nothing at all / You can join us if you think you're wild / You can join us if you're a feral child / Our love is cool".

Mit zwölf Songs plus Hidden Track ist "My Love Is Cool" trotzdem etwas langatmig. Wenn Joff Oddie in "Swallowtail", einer Ballade mit krachendem Finale, die Leadvocals übernimmt, sorgt das zwar offensichtlich für stimmliche Abwechslung. Nur ist seine Kollegin Rowsell packender, während er sich schwer tut, einen knappen Sechsminüter alleine mit Gitarre zu tragen.

Die paar Schwachstellen überstrahlt allerdings die Vielzahl großer Momente: Das atmosphärische "Silk", in dem sich die beiden Hauptstimmen wispernd ergänzen, nimmt Züge einer düsteren Pop-Nummer an, wie auch eine Lykke Li sie gelegentlich zusammenbringt. "Your Loves Whore" und "Fluffy" zeigen mit röhrenden Gitarren und halligem bis hysterischem Gesang nochmal, dass der Grunge in Wolf Alice genauso tief verwurzelt ist.

Mit "My Love Is Cool" schließen die Briten einen Pakt mit 90er-Nostalgie, Hipster-Chic und jugendlicher Direktheit. Das Ergebnis ist ein etwas ungewöhnlicher Mix, der dank ihres Gespürs für ansteckende Hooks aber funktioniert. An ein paar Stellen hätten Wolf Alice die Platte noch straffen können. Ansonsten halten sie dem Monster-Hype und seinem Erwartungsdruck beeindruckend stand.

Trackliste

  1. 1. Turn To Dust
  2. 2. Bros
  3. 3. Your Loves Whore
  4. 4. You're A Germ
  5. 5. Lisbon
  6. 6. Silk
  7. 7. Freazy
  8. 8. Giant Peach
  9. 9. Swallowtail
  10. 10. Soapy Water
  11. 11. Fluffy
  12. 12. The Wonderwhy

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