laut.de-Kritik
Eigenwilliger und possierlicher Pop des Kölner Duos.
Review von Martin LeuteDas Cover von "Möbelstück" mutet klassisch an, suggeriert eine Ernsthaftigkeit, die man kritisch beäugt und die neugierig macht. Ist das Klassik oder Kammermusik oder was? Weder noch, die beiden Kölner machen nach wie vor Popmusik, und ihr Verständnis davon ist so eigenwillig wie niveauvoll.
Die Band Wolke setzt sich aus Oliver Minck und Benedikt Filleböck zusammen. Nach ihrem Debüt "Susenky" im Jahre 2005 ist nun mit "Möbelstück" ihr zweites Album erschienen. Und sie machen dort weiter, wo sie aufgehört haben. Gesang, Bass, Klavier, elektronische Beats und dezente Soundcollagen genügen den beiden Kölnern, um ihre Texte musikalisch einzukleiden.
Allenthalben ist zu lesen, dass diese Musik völlig ironiefrei daher komme. Wenn Wolke aber im mit flotten Beats unterlegten Opener "Second Hand Gefühl" kenntlich machen, dass sowohl Worte als auch Gefühle kulturell vermittelt und damit nicht authentisch sind, dann zeugt das von großer Intelligenz und auch von großer Ironie.
"Ich bin stumm, ich halte still", singen sie und sind sich der Paradoxie dieser Worte durchaus bewusst. Sprachlos zu sein und gleichzeitig zu sprechen, ist ein in höchstem Maße ironisches als auch nachdenkliches Statement. Diese Tendenz zieht sich durch das komplette Album und ermöglicht die Beschreibung des Lebens, der Gefühle und Sehnsüchte in schlichten, schönen Bildern.
Es geht um Vertrauen und Hingabe ("Walzer No.1"), um die unausgesprochene Liebe ("Drei Worte") oder um schwermütige Befindlichkeiten ("Schlimmer", "In einem anderen Leben"). Oliver und Benedikt singen in "Radfahren, Lesen, Freunde Treffen" vom normalen "redlichen Leben", in "Mein Kleiner Schmerz" von dem eigenen lächerlichen Leiden, das schwerer wiegt als das durch kriegerischen Zustände verursachte Leiden in der Welt. Man ist sich selbst halt doch am nächsten.
Das bezaubernde Duett "Wir werden immer jünger" singt Oliver mit Suzie Kerstgens von Klee, im Titelsong " Möbelstück" bereichert ein Horn, in "Mein Kleiner Schmerz" ein Saxophon die Arrangements. Mit "Ich will mich befreien" befindet sich zudem eine übersetzte Coverversion von Queen ("I Want To Break Free") und mit "Maybe" ein englischsprachiger Titel auf dem Album.
Wolke entblößen den Menschen, der das alleinige Zentrum seiner Welt ist. Sie offenbaren Befindlichkeiten in der modernen und komplexen Welt. Ohne Pathos, aber mit viel Gefühl und einer ganzen Menge Pop. Elf schöne, klare Songs mit einfachen Strukturen und einer zurückhaltenden Instrumentierung. Der Verzicht auf große Gesten - sowohl lyrisch als auch musikalisch - macht "Möbelstück" zu einem liebeswerten und erfrischenden Werk.
Über Bands wie Blumfeld, Kante, Klee, Ja König Ja, Anajo oder Erdmöbel zieht nun das Duo Wolke dahin und zeichnet - mal stürmisch, traurig oder besinnlich - possierliche Bilder in den musikalischen Himmel, die mir hin und wieder ein wenig zu selbstmitleidig ums angeschlagene Ich kreisen. Aber hey, der Himmel ist auch nicht ständig bewölkt.
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