laut.de-Kritik
Minimalistischer Postpop, aus Träumen geboren.
Review von Matthias Manthe"Wir sind da!", stürmen Wolke zu Beginn dieser Herbstplatte nach vorn. Das Lied kündet mit schwelgerischem Pathos von der Ankunft eines Gefühlsbebens. Ausgelöst von unkommerzieller Schwebemusik, zerbrechlich wie Chinaporzellan. Dem Kölner Duo geht es darum, "Dinge an sich ranzulassen, vor denen man vielleicht Angst hat", wie Sänger und Bassist Oliver Minck umschreibt. Zusammen mit Benedikt Filleböck an Klavier und Beatbox bannt er nackte Emotion auf CD. Angreifbar? Zweifellos. Auf "Susenky" (tschechisch für Süßigkeit) wagen sie dennoch die Operation am offenen Herzen mit verbundenen Augen. Fragiles Gefühl ersetzt präzises Skalpell.
Kurz nach dem leidenschaftlichen Aufbruch schluckt die Wolke plötzlich das Mondlicht: Undurchdringbare Dunkelheit. Doch in "Kapitän" führt das Unterbewusstsein den Schlafwandler sicher auf seinen Weg, der das Ziel ist ("Auf der Strecke"). Minck und Filleböck bekennen: "Wir sind Träumer, wir wachen niemals auf". Ein surreales Klassentreffen der Hamburger Schüler Blumfeld und Kante.
Das Motiv schwereloser Bewegung zieht sich durch alle Stücke auf "Susenky". Zumeist allein, manchmal aber auch in Begleitung wie in "Mein Freund": "Komm schon, weg von diesem Ort", drängt das Stück. Der Wind trägt die beiden auf ihrer Reise durch das Traumland an einen völlig fremden Ort. Nur mit drei Pianoklängen und sanftem Gesang, der klingt, als halte der Sänger die Luft an. "Weg Ins Nichts" stampft im Stil der 2raumwohnung in die Körperlosigkeit, "Wann Immer" überrascht mit Reggae-Rhythmik.
Aus dem künstlerischen Prinzip von Wolke erwächst leider auch der größte Kritikpunkt: Hier und da driftet das unverhüllte Gefühl in schlageresken Kitsch ab. "Stazione D'Amore" hat seinen Saft von Eros Ramazzottis Italo-Schnulzen-Tanke. Und die Idee, Guns'n'Roses' "Sweet Child O' Mine" ins Deutsche zu übersetzen und mit Badada-Gesang zu unterlegen, wäre besser nur Idee geblieben.
Am Ende weckt die Schwerkraft das Duo aus dem Traum. "Slow" strotzt wütend vor theatralischem Fatalismus: "Nimm die Welt, zerdrücke sie". Der abschließende "Monolog In Stereo" vertont Todesnähe. Das weiße Licht am Ende des Tunnels fast greifbar, blickt Minck zurück und in die Zukunft. Er droht in unendliche Tiefen zu fallen, doch schließlich stellt sich heraus, dass alles nur eine Illusion war: "Du liegst neben mir, ich bin erleichtert".
Am Ende bleibt die Gewissheit, Wolke gern haben zu dürfen. Für eine Mitfahrgelegenheit durch nächtliche Traumlandschaften. Auch wenn "Susenky" manchmal etwas zu sehr nach Zuckerguss schmeckt und eine leichte Überdosis Narkosemittel verabreicht.
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