laut.de-Kritik

Israelischer Elektro, so perfekt wie von einer KI erschaffen.

Review von

"Halak Halak": Das Debütalbum von Zenobia schleudert einem kompromisslos die imposanten athletischen Beats einer uns wenig bekannten Mikro-Szene elektronischer Musik entgegen. Das Duo aus dem israelischen Haifa sprüht mit Safran und Piment in der Luft eine ordentliche Portion orientalischer Gewürzaromen aus. Housige Grundstrukturen unterteilen den Melodieverlauf, eingängige Harmonien schmiegen sich in weicher Soundfarbe an die Gehörgänge und bringen Ordnung in wuseliges Treiben bringen - überfordernd und unwiderstehlich zugleich. Viel Inhalt, Tempo, weitgehend instrumental, so prallen die wabbelig grellen Synthie-Sounds gegen exotische Akkordfolgen.

Rasch entsteht ein Rausch, zu dem es sich empfiehlt, eine gute Anlage für Resonanzbässe zu nutzen, das Licht auszumachen und folgendes zu akzeptieren: Zenobia fusionieren nicht einfach West und Ost, sie machen auch nicht unbedingt das, was man im Nahen Osten eben macht. Sie ragen als schräge Prototypen aus der Masse heraus, reiben sich an Konventionen und sind damit outstanding. Als Vorreiter ihrer Szene zitieren sie frühe Moog-Stücke von Emerson, Lake And Palmer und konfrontieren einen andererseits mit Obertönen, die wie Sackpfeifen-Samples klingen.

Kein Wunder, entlehnen sie diese Sounds doch der syrischen Dabke-Musik, einem bestimmten Folklore-Rhythmus. Zu Dabke gehört ein Tanz, den man seit einigen Jahren auch in deutschen Kursen erlernen kann. Man klatscht sich erst einmal in den Takt warm, der oft das uns vertraute 4/4-Muster hat. Dann fassen mehrere Tanzende einander an den Händen und steppen in der Aufwärmphase in einer Reihe vorwärts. Jeder vierte Schritt ist ein Zwischenschritt, bei dem der linke Fuß einmal nach links gestreckt wird. Für die Tänzerreihe bedeutet dies, dass alle mit ihrer Hüfte in leichte Schieflage gehen.

Man muss dennoch kein Experte für arabische Tonleitern sein oder diese Schrittfolge beherrschen, um Spaß an Zenobias Musik zu haben. Denn der federnde Effekt zwischen basshaltigen Tiefen und Dudelsack-Höhen, zwischen dem psychedelisch groovenden Wumms der Moog-Klänge und kraftstrotzenden, satten, mitunter harten Beats überträgt sich wie von selbst in ekstatisches Mitgrooven.

Angeblich fließen auch aus angrenzenden Ländern wie Ägypten oder dem Libanon musikalische Referenzen ein. Erkennbar sind eine interpolierte Sequenz aus dem Instrumental-Part von Grandmaster Flashs "The Message" ("It's like a jungle sometimes / It makes me wonder how I keep from going under") in "El3ab El3ab" und ein paar temporeiche Melodie-Achterbahnfahrten in Kraftwerk- und Yello-Ästhetik ("Ksr Ksr Ksr").

"Edine" heißt übersetzt "Gib mir mehr" - ein passender Slogan für den Höhepunkt des Albums. Der arabischste Eindruck entsteht aufgrund von unscharfen, 'heterophonen' Klängen jenseits der reinen Tonleiter unserer Hörgewohnheiten. Zugleich strahlt dieser Track intensivste Beweglichkeit aus. Alle Songs hängen aneinander wie in einem Mixtape, auch wenn sie nicht ineinander übergehen.

Was an "Funky Egal" funky sein soll, wird mir als Funk-Liebhaber allerdings nicht klar, und auch sonst fühle ich mich vom Sound stellenweise überrollt. Einzig in "Ksr Ksr Ksr", "Yalla Yalla" und "Shaglaba" tauchen ein paar Stimmfetzen auf. Sie tragen eine Menge bei, um sich im wirren, abgefahrenen Raumklang zu orientieren und eine Verbindung zu den Menschen dahinter zu spüren.

Bei aller Wärme und Traditionsverbundenheit meint man einer Platte zuzuhören, die komplett von künstlicher Intelligenz zusammengeschraubt wurde. Diese Wirkung mag der enormen Perfektion und Routine des seit über 20 Jahren aktiven DJ-Duos geschuldet sein. Der Kulminationspunkt war erreicht, um die Erfahrungen der Clubauftritte endlich auf Tonträger zu verewigen. Ein überreifes Debüt und eine Sensation inmitten der stagnierenden elektronischen Szene.

Trackliste

  1. 1. El Intro
  2. 2. Sa7rawe
  3. 3. Desert Hafla
  4. 4. Edine
  5. 5. Ksr Ksr Ksr
  6. 6. Halak Halak
  7. 7. Funky Egal
  8. 8. Yalla Yalla
  9. 9. Shaglaba
  10. 10. El3ab El3ab

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