laut.de-Kritik
Psychedelic-Ästhetik mit Ambient-Inspiration.
Review von Philipp Kause"Ich höre kein Radio, da laufen ständig dieselben Lieder / und die DJs sind Computer", geben die Allah-Las in "The Stuff" zu Protokoll. Das Coole ist: Seit Jahren machen sie selbst Radio und diggen jede Woche Perlen für ihre Playlist-Podcasts. Die intensive Auseinandersetzung mit Musik macht sich auf "Zuma 85" durchweg bemerkbar. Wenn ein Vocoder in "The Stuff" den Computer in der Radio-Station mimt, die Riffs Rock und der Rhythmus Boogie-Funk sind, dann spiegelt sich der Eklektizismus, den die Jungs schon ins Hören legen.
Die Allah-Las fallen auch mit diesem Album wieder in die Kategorie 'Indie-Rock für Leute, die normaler Weise keinen Indie-Rock mögen'. Es sind die Surf-Momente mit Hang zu den frühen Sixties, die die Band so andersartig machen, die Psychedelic-Stimmungen mit Nähe zu den späten Sechzigern, die als Leitmotiv die Kompositionen prägen. Magie klettert aus dem Hohlraum ihrer Lead Guitar, wenn die Melodie von "Right On Time" Schlangenlinien durch die Harmonielehre fährt. Es ist die Coolness, mit der sie einfach so durch dieses und alle anderen Lieder grooven, als hätten sie keine Zweifel: Hippies zu sein, das lohnt sich auch 2023.
Die Kalifornier beherrschen auch Instrumentals und gestalten 4 Minuten 30 ohne Wort kurzweilig und atmosphärisch dicht. Bei "Hadal Zone" meint man, ein Fracht-Dampfer laufe mit schnaubenden Hup-Signalen in einen Hafen ein. Allerdings befindet sich die besagte "Hadal Zone" in elf Kilometern Tiefe im Ozean über dem Meeresboden, zum Beispiel im Mariannengraben - dort, wo sicher kein Hafen in der Nähe ist.
Kompetenz beweisen die Las auch in der Kategorie Vocals. Das raue wie auch versonnene Timbre in "Pattern" lässt den Gesang angenehm unaufdringlich, aber doch kraftvoll und fruchtig wirken - eine Stimme, die etwas aussagt, eine Stimmung beschreibt, Charakter hat. Das tut gut. In "Sky Club" klingt der Lead-Gesang mit skandiertem Stakkato hingegen mechanisch wie bei Ringo Starr in "Yellow Submarine" - aber auch dieser Kunstgriff hat hier Klasse. Noch dazu wechseln sich die vier am Mikro ab.
Bemerkenswert bleibt, wie schon bei den Vorgänger-Alben, der enorme Nostalgie-Effekt. Selbst dort, wo das Quartett moderne Produktionstechnik für schleifenartiges Amplifier-Gebrummel und schneidende Riffs benutzt, kommt eine beeindruckende Sammlung voller Querverweise entlang einer krassen Bandbreite von Sixties-Garage-Gruppen über Neil Young bis Electric Bluesrock, von Eno-Minimalistik über alte Yello-Klangflächen bis hin zu Carlos Santana in seinen versponnensten Alben der 70er zustande.
Für so ein Kompendium an Musiktipps für den Allah-Lah-Fan reicht der Combo bereits ein einzelnes Stück wie "Smog Cutter". Was da Zitate-Absicht ist, was Nachahmungs-Zufall, das wird die Gruppe angesichts der vielen Musik, die sie selbst quer hört, kaum identifizieren können. Im Wesentlichen weckt sie Lust darauf, sich an Musik heran zu wagen, die entweder lange schon verblichen ist oder es einem mit Track-Überlängen nie leicht machte. Matthew, Spencer, Miles und Pedrum selbst fassen sich übrigens eher kurz und kompakt.
Ein besonderes Highlight entsteht, wenn sie in mellow-Tonfolgen übergehen, wenn es die verwaschenen und nicht genau bestimmbaren Zwischentöne in den Oktaven sind, die den Reiz des 'Alten' ausmachen, und keine technisch drauf gelegte Vintage-Patina. Ein bisschen mit Heiligenschein wie am Ende eines Gottesdienstes wimmert die Orgel im Schlussstück "The Fall", und wenn man da ankommt, hat man sich quasi gerade erst in die schlummernden Schönheiten dieses Albums rein gefuchst.
Ein Lieblingsstück zu bestimmen, fällt mir da schwer: Alle Cuts sind mehr ("Pattern") oder weniger ("GB BB") toll. Sei es der fröhliche Nachdruck im sonnig schwingenden "Dust", wo mehr Frühlingswonne als "Staub" aufscheint, oder das super smart groovende "Jelly", die Verträumtheit von "Fontaine", der cheesy E.L.O.-Powerpop in "Sky Club", das verschroben komponierte "La Rue" oder das pulsierende Titelstück - ein simples, total entspannendes Instrumental: Die Herren aus L.A. besetzen eine Marktnische und machen mit ihrem Retro-Kauderwelsch etwas völlig Eigen- und Einzigartiges.
6 Kommentare mit 7 Antworten
Hat was von Trip Hop, ich mag das.
Ist das eine 5/5 - Indieperle oder mehr so eine 5/5 die Schuh auf die Arctic Moneys schmeisst?
Eher ne 3-4 von 5 für Fans von "Chilliger Musik" und Salat in Tüten
Indieperle, nee, dafür ist das Ganze viel zu brav und auf Nummer sicher gehend. Ist halt Indie-Fahrstuhlmucke, die auch ihre Berechtigung hat, aber da gibt's wiederum zig spannendere Künstler.
Allah-Las dich mal wieder im Chat blicken.
Darauf habe ich lange gewartet
Zugegeben unerreichte Spitze dieser Kombo bisher.
Allah-Las, ist das öde.
... also schlecht isses sicher nicht, aber so viele Sedativa kann ich gar nicht ballern, um das nicht langweilig zu finden.
Allah-Las mich in Ruhe mit deiner Fahrstuhl-Indiemucke. Wo existiert denn bitte ein Markt für dafür? Ich dachte immer, die meisten Indie-Hörer*innen von Welt sind eh vegan essende Treppenläufer, wie könnten die sonst über 20 Jahre in dieselbe, abgeranzte Skinny Jeans passen?!
Ist halt Musik für eine WG-Afterparty in Berlin-Weserstraße. Die Bierleichen verteilen sich auf abgeranzten Velourmöbeln, die Luft ist ganz schwer vor Schweiß und Gras, die wenigen die wach sind diskutieren leise darüber, dass ihnen Parcels viel zu aufgeregt und AvL ein viel zu anstrengender Studiengang ist, und die Pärchen die im Nebenzimmer gevögelt haben sind gierig auf der Suche nach leftover Pizza.
Hör's gerade auf youTube durch - da stellt sich doch recht schnell Langeweile ein... Ist ja ganz nett retro, aber ohne den passenden Spirit halt nur professionell zusammengeklaut. Wer die Originale hat, kann sich das sparen; wer nicht - lieber gleich retro kaufen...