laut.de-Kritik
Die Hohepriesterin des Unheils wird zur Gothic-Knef.
Review von Ulf Kubanke"Pray to god, pray to the devil / Whatever you share: All goes down in the void." Die Hohepriesterin des Unheils schleudert ihre sinistren Worte in einer ebensolchen Stimmlage heraus. Piano und Gitarre schrauben sich ineinander und die Begleitband erinnert simultan an alles, was der gepflegte Rotwein-Melancholiker schon immer liebte. Sind das die Swans, Madrugada, die Bad Seeds oder gar Wovenhand? Nein, es ist das grandiose "Void" der Berlinerin Andrea Schroeder.
Ihr Debüt war bereits ein Ausrufezeichen, das folgende "Where The Wild Oceans End" ein gloomy Gesellenstück. Auf "Void" räumt ihr Mix aus Folk-Noir, Dark Chanson und Gothic-Western so flächendeckend ab wie Gaslicht im Nebel der Spree.
Besonders gesanglich legt Schroeder deutlich zu. Die Nico-Assoziation taugt nicht mehr, 2016 klingt sie wesentlich entwickelter, eher nach einer Gothic-Knef. Sie setzt ihre Stimme mit theaterhafter Grandezza punktgenau ein. Samtig, dabei unerbittlich fesselnd. Die Palette der Stimmungen reicht von Desillusion über Laszivität oder Storytelling bis hin zu kuscheliger Zweisamkeit.
Die Knöpfchendreher Ulf Ivarsson (u.a. Sivert Hoyem) und Victor van Flugt (Cave, Neubauten, PJ Harvey) erschaffen hierzu den perfekten Sound. Dabei gehen beide sehr transparent und mit der notwendigen Sensibilität für stimmungsvolle Details vor.
Bei Catherine Graindorges Violine in "My Skin Is Like Fire" oder "Burden" glaubt man fast, Stringmeister Warren Ellis zu lauschen. Nicht minder verführend pointiert Mike Strauss' Piano/Orgel nahezu jeden Track. Höhepunkte sind das poetische Glanzstück "Was Poe Afraid?" und das Titelstück. Wie er zwischendurch ebenso sparsam wie effektiv die gesamte Dramaturgie des Themas im Dialog mit Strings oder Gitarre übernimmt, ist schlichtweg atemraubend.
Wichtigster Akteur neben Schroeder bleibt dennoch Saitenhexer Jesper Lehmkuhl, mittlerweile einer der charismatischsten Gitarristen seiner Generation. Dutzende verschiedener akustischer wie elektrischer Sechssaiter prägen das Album als roter Faden (Anspieltipp: "Kingdom"). Manche Stellen erinnern an die Australo-Alternative-Band Crime & The City Solution.
Schroeders Lyrics halten das Niveau lässig. Besonders das anrührende "Little Girl" über das tragische Schicksal eines Flüchtlingsmädchens geht unter die Haut. Und wenn diese Königin der Nacht hernach ihre Brut mit der Zeile "Walk with me into the light, creature of the night" anstachelt, blitzt noch ihr Sinn für Humor und selbstironische Brechung auf. Unbedingte Kaufempfehlung für dieses Songwriterinnen-Juwel.
3 Kommentare mit 5 Antworten
gerade das album aufgrund deiner kritik angeschmissen. void gefällt schon sehr gut. die stimme mag ich.
black sky kommt ein wenig ultraviolence-lana daher. also auch gut. ich erkenne potenzial für meine ohren also weiterhören.
besser als der jazzschrapel ist es ajf
freut mich, dass es dir ähnlich gut zu gefallen scheint wie mir
bist du in berlin bei den swans? die finde ich ja in etwa genauso geniessbar wie jazz. aber als support kommt anna von hausswolff!
wow, tolles doppel
uff, ihre englischen Aussprache erfordert 1 bis 2 Gläser Rotwein beim Hören
Schlimmer als bei The Notwist?
Klingt interessant die Scheine, ich hör mal rein
So schlimm ist es nun auch nicht. So Hildegard-Knef-Stil. Dieser harte und steife deutsche Akzent halt.
Super Aufnahme, tolle Stimme, kein Tropfen Mainstreamsoße!