laut.de-Kritik
Die Krone trägt, wer Altes bewahrt und Neues erschafft.
Review von Jan HassenpflugDie Architects begleiten Linkin Park auf deren Welttournee? Ein Szenario, das vor zehn Jahren noch unvorstellbar weit entfernt schien, wird nun Wirklichkeit. Vom Status der wild gewordenen Metalcore-Bestie mit sperrigem Songwriting ausgehend, haben die Briten über die Jahre an Selbstbeherrschung dazu gewonnen. Die Entwicklung hin zu mehr Klargesang, zum Elektro-Sample und einer fetten Bühnenshow erreicht mit ihrem elfen Studioalbum eine neue Dimension. Das hätte schief gehen können.
Weil Sam Carter und seine Jungs ein gutes Gespür für die schmale Gratwanderung zwischen zu wenig Alt und zu viel Neu beweisen, bleiben wir im Konjunktiv. Ganz im Gegenteil hat die Jubiläumsplatte sogar das Zeug dazu, ganze Scharen von Metal- oder Rockfans abzuholen. Der schier allumfassenden Kosmos, den "The Earth, The Sky & All Between" dem Titel gemäß aufmacht, hält was er verspricht.
Zur Eröffnung gibt "Elegy" gleich eine Kostprobe des breit aufgestellten Repertoires zum Besten. Was im Stile eines Intros noch subtil stimuliert, schlägt mit dem Einsatz der ersten Metalcore-Elemente wie eine Bombe ein. Shouts oder Growls - Carter bedient die komplette Range auf der Wutskala. In früheren Kompositionen hätten die Architects genau dies als zerberstenden Höhepunkt aufgebaut. Jetzt schwingen sich schicke Gesangsparts ausdrücklich dazu auf, melodische Glanzpunkte zu setzen.
So huscht der Bezug zum Crossover im Stile Linkin Parks eigentlich permanent durch den Kopf, verflüchtigt sich aber, sobald rachsüchtige Härte die Oberhand gewinnt. Damit zwischenzeitlich jede Assoziation in den Hintergrund tritt, bringen "Brain Dead" oder "Seeing Red" die Anarchie zurück. Ersteres lässt dem Punk freien Lauf und teilt ungezügelt aus. "Seeing Red" zeigt der vorprogrammierten Verweichligungskritik eindrucksvoll den Mittelfinger:"Read me all my rights. I'll never grow tired of your great advice. Won't somebody tell me what I believe?". Was für ein Brett! Und übrigens trotz aller Härte unverschämt eingängig.
Natürlich geht das auch zutraulicher. "Whiplash", "Curse" oder "Evil Eyes" fügen das bittersüße Puzzle hitverdächtig zusammen. Diesmal legt die Dramaturgie viel wert darauf, sich im Chorus aus einer unbequemen Strophe zu befreien. Ein Death Core-Outro wie etwa in "Whiplash" entpuppt sich nur als raffinierter Kontrapunkt. Auch wenn sich "Evil Eyes" gefühlt aus zwei verschiedenen Songs zusammensetzt und sich dadurch seltsam abrupte Übergänge ergeben, überstrahlt der Chorus sämtliche Irritationen. Leicht vorstellbar, wie "Curse" die großen Venues dieser Welt anzündet. Da greift einfach vieles ineinander.
Nicht alle Songs verschreiben sich dem Mix aus Metal und Melodie. Stattdessen erhalten weiche Facetten ungewohnt viel Aufmerksamkeit. Das könnte vielleicht an Jordan Fish auf dem Produzentenstuhl liegen, dem Ex-Mitglied und Schöpfer der poppig mutierten "Bring Me The Horizon". Jedenfalls zerrt der Hang zum Gesang die Architects ohne Umschweife weg von ihren Wurzeln. Spätestens jetzt muss es doch scheitern? Denkste! Die eigentliche Meisterleistung der Baumeister besteht darin, selbst die ruhigen, nahezu ausschließlich melodisch gehaltenen Auszüge nicht mit Emotionen zu überfrachten.
"Everything Ends" hat nun wirklich gar nichts mehr mit dem ursprünglichen Post-Hardcore zu tun. Es gehört viel Mut dazu, dem Mainstream so weit die Tür zu öffnen. Der taktvolle Wechsel zwischen Laut und Leise, die schwerelose Melancholie und die eingängigen Zeilen sorgen dafür, dass sich selbst das ziemlich gut anfühlt. "There's nothing but the ocean now. Every second is a battleground. Over the horizon, can anybody hear me shout?". Ähnlich viel Überzeugungskraft vermittelt der melodische Spagat in "Landmines" oder "Broken Mirror". Demgegenüber experimentiert "Judgement Day" vielleicht zu grenzüberschreitend mit programmierten Sounds im Midtempo herum.
Vorab haben die ersten Single-Auskopplungen bereits erahnen lassen, dass dieses Album Ansprüche auf den Metalcore-Thron stellen würde. In Gänze spielt "The Earth, The Sky & All Between" mit eben diesen Erwartungen, wirkt ihnen entgegen und belebt dafür eine diebische Vorfreude auf überraschende Variationen im Songwriting. Trotz aller neuen Einflüsse steckt hier immer noch viel Metalcore für alle ausgehungerten Genrefans drin. Wer sonst also sollte sich die Krone aufsetzen, wenn nicht eine Band, die Altes wahrt und Neues schafft? Respekt dafür!
5 Kommentare mit 12 Antworten
Stimme der Review zu, saustarkes Teil. Die letzen Releases drohten in einen operettenhaft-experimentelle Brei zu versinken. Fish' Mitwirken bringt nun die nötige Frische, impulsive Elemente, zeigt sich vital und dynamisch. Ich meine auch (neben dem obligatorischen Bring me Anleihen) Spuren von Dayseeker, Windwaker oder Fit for a King zu vernehmen ohne das die typische Architects-Formel abgeändert wird. Endlicha haben es auch die bisher eher live eingesetzten growls flächendeckend auf ein Album geschafft und bereichern das treibende Soundbild ungemein.
Sehr schön, werde morgen mal in aller Ruhe reinhören. Habe dieses mal die Review abgewartet, um nicht erneut den selben Gulasch entgegengebrüllt zu bekommen für umsonst. Bin zwar kein großer Fan, aber dennoch ein Lichtblick für so arme aus der Zeit gefallende 00er-Schrott-Mumien wie uns.
... kurz: bei 2/5 hätte ich natürlich auch reingehört, da schlechte Bewertungen oftmals Originalität des Rezensenten vorgaukeln sollen, das Album allerdings total gut ist. Bei 3/5 hätte ich nicht reingehört
.
Stimme ebenfalls zu. Hatte die Band nach den letzten beiden Alben eigentlich schon abgeschrieben, aber das neue ist richtig gut. Was für ein Comeback und die Growls bereichern das Soundbild tatsächlich ungemein.
Ohje, ich hoffe, ich growl' mir morgen keinen ab. Sonst lande ich womöglich noch im Blackgrowl
.
... dann falle ich in eine unendliche Growl-Dichte, werde von allen Seiten angegrowlt. Stelle mir das so vor, als kommen dann von überall her diese Longoliers-Monster aus dem Stephen King-Film, kennt ihr die? Ist dann so ein stetiges, tendenziell, dezentes und permanentes growlen von überall her. Eigentlich wie in einer Ehe.
Klar, wer kennt sie nicht diese uncanny 90er Flohmarkts-3-D, gerade bei diesem Film. hatte der nostalgia critic damals schön vorgestellt.
bzgl des neuen Architects-growling. Einfach mal "Blackhole" hören, gerade die finalen Momente
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W.Iesel schreibt:
"Top Produkt, kann ich nur empfehlen, ma sagen!"
sex torso3!!!
hatte die online rezi vom Wiesel bereits abgefasst, und der "seht, es ist sex torso3"-joke stand auch schon in den startlöchern
Dieser Kommentar wurde vor 18 Stunden durch den Autor entfernt.
Wer war sein Sidekick? kuss kopf3?
Wir werden es nie erfahren
Ich finde es taktlos, auf Kosten unrechtmäßig gelöschter User Witze zu machen 
Ich liebe es, wenn du meinen Namen schreibst. Da bekomme ich sogleich ein Flattern in meinen Nebennieren
. So nah und doch so fern.