laut.de-Kritik
Für Realkeeper so etwas wie der Orwellsche Albtraum.
Review von Yannik GölzOh, der Disrespekt. Bhad Bhabie hat tatsächlich ein Album gemacht. Das fünfzehnjährige Internet-Phänomen, das von einem Talkshow-Auftritt via über Nacht angehäufter Social Media-Fanbase einen Deal bei Atlantic Records ergatterte, wurde nicht nach zwei Songs wieder abgesetzt. Für Realkeeper-Seelen, die nach Waka Flocka Flame, Lil Yachty und Lil Pump nun vielleicht schon das Schlimmste überstanden wähnten, ist dieses Mädchen so etwas wie der Orwellsche Albtraum.
Der absurdeste Moment in diesem Karussell der Cloud-Absurditäten ist aber der, in dem man diese Platte hört und mit ungläubigem Blick festhalten muss, dass Danielle Bregoli tatsächlich ein bisschen rappen kann. Die über hundert Millionen Klicks auf "Hi Bich" sind nicht nur Memes. Bhad Bhabie hat einen Sound, den man ihr lassen muss. Nur trägt der eben noch lange kein ganzes Album.
"15" beweist allen voran den fachmännischen Riecher ihrer Hintermänner, Danielle einen sinnvollen Beatpool und kompetente Produzenten zur Seite zu stellen, damit man ihre Attitüde so konsequent wie möglich von Social Media-Persönlichkeit zu Rapper übersetzen kann. Das Resultat ist eine juvenile, quengelige, fast ins comichaft überzeichnete Delivery, die man zu Recht nervig finden kann, die sich aber allein aufgrund ihrer Einzigartigkeit vom durchschnittlichen Trap-MC abhebt.
Der Song "Hi Bich" schafft offensichtlich die Blaupause, Nummern wie "15 (Intro)" oder "Shhh" fügen dem wenig hinzu, machen die Pattern aber ein bisschen durchgängiger und trittfester. Ein bisschen Lil Pump, ein bisschen Quavo, alles in ihrer eigenwilligen Stimmlage. Es ist ein Stil, keine Frage, aber offensichtlich ein äußerst eindimensionaler und das Tape tut sein Bestes, dass Danielle nicht zu schnell ihren Gimmick-Wert an die Übersättigung verliert.
Konsequenterweise parkt man sie deshalb über die Spielzeit von "15" fast durchgehend im Beifahrersitz von erfahreneren Performern oder bretternden Trapbeats aus dem Köcher von begabten MetroBoomin-Imitatoren und hält die Songs behutsam so kurz wie möglich. "Juice" lebt vor allem vom gekonnten YG-Part, Asian Doll übernimmt Hook und Sound von "Affiliated" und "Geek'd" klingt im Grunde genommen wie ein um Bhabies Part erweiterter Lil Baby-Song.
In ihren besten Momenten wie der eingängigen Hook auf "Gucci Flip Flops" und den agilen Flows auf "Yung And Bhad" schimmert zwar ein gewisses Talent durch, das an die Stärken erinnert, die man zu ihrer Zeit einer aufkommenden Iggy Azalea unterstellt hat. Das beeindruckt für den Standard einer 15-Jährigen, die vor zwei Jahren noch keine Zeile gerappt hat. Aber das darf ja wohl wirklich nicht der Anspruch sein.
Musikalisch geht sie in Sachen Beats und Flows als ein seltsam proportionierter Migos-Klon durch. Der Act, mit dem sie wohl die meisten Gemeinsamkeiten teilt, wäre allerdings Lil Xan. Beide haben ihren Aufstieg vor allem dem Schockfaktor ihrer bloßen Existenz zu verdanken, leben von einem eindimensionalen Vocal-Gimmick, das einen emotionalen Status Quo aus dem Trailerpark widerspiegelt und können über ein oder zwei Singles keine ganze Platte tragen.
Ein überraschender Moment der Klarheit entsteht dennoch zum Schluss. "Bhad Bhabie Story" ist mit stolzen sechs Minuten nicht nur der einzige Titel, der die Dreiminuten-Marke übersteigt, sondern auch einer, der dem Phänomen Bhad Bhabie eine unangenehme, aber interessante Tiefe verleiht. Völlig ohne Filter erzählt sie hier in einem Stück irgendwo zwischen Instagram-Story und Spoken Word-Piece davon, wie sie von der völligen Perspektivlosigkeit zum kurzlebigen Stardasein gelangt.
Was sie da erzählt, klingt quälend authentisch. Sie zeichnet Bilder von ihrem abwesenden Vater, der ein Stück vom Kuchen will, als das schnelle Geld da war. Von einer Mutter, die sie ins Reality-Fernsehen schleift, weil sie sich einen Entzug für die Tochter nicht leisten kann. Von kalt kalkulierenden Geschäftsleuten, die sie in ein Studio voller fremder Leute an der anderen Küste des Landes gezogen haben, um auszuprobieren, ob sie eine Rapperin sein könnte.
Danielle Bregoli ist ihr eigener, problematischer Nadelhaufen. Ihr Auftreten, ihre Attitüde, aber auch ihre Inszenierung und ihr filterloses Erzählen zeigen ein Amerika ohne Hoffnung. Der White Trash-Trailerpark, dem Eminem seinerzeit entkommen ist. Bhad Bhabie ist ihm nicht entkommen. Sie darf ihn lediglich für ein mittelständisches Publikum ausschlachten, bis das Meme die Klicks nicht mehr hereinholt. Weder ihre Hintermänner noch sie selbst machen einen Hehl daraus, das nichts daran organisch entstand und das sie dementsprechend auch bei erster Gelegenheit wieder fallen gelassen wird, sollte sie nicht auf wundersame Weise auch nachhaltig in der Zukunft Geld abwerfen.
In diesem Blickwinkel hat "15" etwas nahezu Tragisches, zumindest etwas Unangenehmes und Belastendes. Man kann nur hoffen, dass sie am Ende des Tages Menschen findet, die tatsächlich ihr Bestes im Sinn haben, denn diese Umgebung fühlt sich wie eine schwelende Katastrophe an. Ob man sich darüber hinaus intensiver mit dem Bhad Bhabie-Phänomen und "15" beschäftigen will, muss man selbst entscheiden. Die Entscheidung erleichtert sich aber dadurch, dass es sowieso kaum mehr als Fließband-Pop-Rap nach der "Hi Bich"-Formel bleibt.
8 Kommentare mit 10 Antworten
Cash me outside
Amerikanische Schnappi-Göre
Was ist eine Schnapp-Göre?
https://de.wikipedia.org/wiki/Joy_Gruttmann
Würde trotzdem
Sorry, aber 2-3 Sterne kann man da schon geben. Wie bereits in der Review angedeutet, kann Danielle tatsächlich halbwegs rappen und die Produktionen sind sogar vergleichsweise gut.
Natürlich will ICH persönlich mir sowas nicht auf Albenlänge geben, doch da wurde in der Vergangenheit schon viel, viel Schlimmeres an die Kids verkauft.
Seyed kann auch halbwegs rappen
Da pickt aber Kollegah die Beats und er hat auch keine Tripple A Features.
... und trotzdem kriegen Seyed und seine "Luft nach oben" hier 2/5 Punkte.
Diese Review hier liest sich mMn. aber auch eher nach 2 Punkten.
Habe die 1/5 gerade in Hinblick auf den letzten Absatz vor allem als Haltungssache interpretiert, zu 100% negativ ist die Rezi selber ja auch nicht.
Ansonsten habe ich mir das weil Trending auf Youtube tatsächlich ausschnittsweise mal gegeben und bin da mit dem selben Eindruck weggekommen wie hier und in der Rezi beschrieben. Ein bisschen rappen kann sie ja tatsächlich. Bzw. ist das für mich eher ein "könnte", da ihr mit ihrer mädchenhaften, heranwachsenden Stimme ein bisschen die Tiefe und Variabilitäzt fehlt und es entsprechend halt wirklich fast ausschließlich "quengelig" anhört. Das wäre vielleicht nach ein, zwei Jahren Reifezeit noch interessanter/aushaltbarer.
Ich hab tatsächlich sehr mit mit gerungen, wie ich das ganze bewerten will. Soundmäßig ist für das ganze locker eine zwei, gar keine Frage, ich denk, das schimmert ja auch im Text durch. Am Ende wars dieses Outro und die tatsache, dass der fade beigeschmack des ganzen damit so direkt in den vordergrund gerückt wird für es mir fast unmöglich ist, das ganze in irgendeiner Form zu genießen. Ich hab ja zb bei nem lil pump, der viele ähnliche attribute besitzt (eindimensionales, frontales bangeralbum) sogar n recht positives fazit gezogen. Hier sind es einfach viele kleinigkeiten im vibe, die es sich für mich nicht triumphant und rebellisch, sondern beengt, verzweifelt und künstlich anfühlen lassen. Und das macht imo schon einen großen unterschied für dieses subgenre.
Ist halt tatsächlich noch nicht ganz ausgereift, ohne Frage. Man sollte sie evtl. auch erstmal aus der Pubertät kommen lassen, aber ich finde alles in allem hat sie in ihrem Alter und aus dem Aspekt heraus, dass sie anfangs eig nur ein Meme war, schon einiges geleistet. Die Platte ist wirklich sehr durchwachsen und kann nich mit "Hi Bich" oder auch "These Heaux" (warum auch immer das nicht auf dem Tape ist) nich mithalten. Aber ich denke, wenn die dran bleibt, kann die echt was werden.
Und wenn nicht, werden wir vermutlich zumindest n Sextape von ihr sehen, wenn sie volljährig ist
jetzt schon "realer" und "authentischer" als felix antoine und majoran
Die wird mit Anfang 20 die absolute Schönheitskönigin im örtlichen Crackhouse sein.
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Gott, leute, sie ist eine herausragende rapperin und hat ihrem 16/17 Jahren ultra viel erreicht! Ihr Missgönnende-Hass-Neider-Gesellschaft!